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Besprechung CD/SACD stereo/surround

Musica Baltica 10

Friedrich Christian Samuel Mohrheim
Cantatas & Arias

MDG 902 2254-6

1 CD/SACD stereo/surround • 74min • 2021

03.05.2023

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

Man möchte es kaum glauben, aber selbst in unserer musikgeschichtlich gut ausgeleuchteten Zeit lassen sich immer noch veritable Entdeckungen machen. Dass mit Friedrich Christian Samuel Mohrheim (1719 – 1780) ein hervorragender Komponist ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zurückgebracht wird, ist dem Musiker und Gelehrten Andrzej Mikolaj Szadejko zu verdanken, der bei MDG die höchst instruktive Reihe „Musica Baltica“ verantwortet. Wie F. C. S. Mohrheim überhaupt vergessen werden konnte, ist nicht nachvollziehbar; die alte „Musik in Geschichte und Gegenwart“ (MGG) nennt ihn wenigstens noch als Schwiegersohn und Nachfolger von Johann Balthasar Christian Freißlich (1687 – 1764), dem langjährigen Kapellmeister der Marienkirche im damaligen Danzig und heutigem Gdansk, der „New Grove“ führt ihn nicht mit einem eigenen Eintrag.

Dabei müssen wir heutige Musikbegeisterten Mohrheim schon allein für seine Dienste am Werk Johann Sebastian Bachs dankbar sein. Mittlerweile wissen wir, dass Mohrheim, der zwischen 1733 und 1736 Schüler, laut dem Musikwissenschaftler Peter Wollny möglicherweise sogar Privatschüler des Leipziger Thomaskantors war, als einer von Bachs Kopisten an Abschriften vor allem des Stimmenmaterials etwa der Matthäus-Passion und des Weihnachts-Oratoriums beteiligt war. In den wunderbaren Schlusschorälen der hier vorgestellten Kantaten zeigt sich, welch sicheres Handwerk Mohrheim bei Bach gelernt hat. Kaum tut man ihm zuviel Ehre an, wenn man ihm, fünf Jahre nach Carl Philipp Emanuel geboren und fünf Jahre vor dem unglücklichen Gottfried Heinrich, als Ehren-Sohn Johann Sebastian Bachs bezeichnet.

Kantate zwischen Hochbarock und Klassik

Von Bach konnte sich Mohrheim offenbar auch den Aufbau eines mehrsätzigen Vokalwerkes abschauen. Jede der vier hier vorgestellten Kantaten, zwischen zehn und zwanzig Minuten lang, hat ein dramaturgisch geschickt platziertes Zentrum. In der Weihnachtskantate „Uns ist ein Kind geboren“ ist das neben der trompetenstrahlenden Eingangsmusik das Duett „O ewiger Vater“, in dem der leicht tupfende Sopran Siri Karoline Thornhills und der sonore Bass Stephan MacLeods stellvertretend für die Menschheit den himmlischen Lobpreis anstimmen; MacLeod bekommt mit der für sich stehenden Arie „Tochter des Himmels“ noch ein in rasanten Koloraturen frohlockendes Show-Piece, ähnlich wie Virgil Hartinger mit seinem stark und süß gefärbten Tenor mit der auch bläserisch hochvirtuosen Trompetenarie „Auserwählte Schar“.

Die Herkunft aus dem nord- und mitteldeutschen Hochbarock ist aber nur eine Seite der komplexen Kunst Friedrich Christian Samuel Mohrheims. Der so kurze wie prachtvolle Eingangs- und Schlusschor zur Pfingstkantate „Der Herr ist Gott, der uns erleuchtet“ beginnt bachisch choralartig, wendet sich dann aber rasch in eine klassisch anmutende Fröhlichkeit, wie man ihr auch bei den wohlgemerkt weit jüngeren Haydn-Brüdern begegnen könnte. Und in der Arie „Zerfließ, mein Herz“, die Franziska Gottwald mit ihrem so festen wie beweglichen Alt singt, ist der Orchestersatz mit konzertierenden Flöten und elaboriertem Streicherkörper so bunt, dass er einem frühen Mozart Ehre machen würde. Diese stilistische Vielschichtigkeit Mohrheims muss nicht zuletzt auch deshalb betont werden, weil Andrzej Mikolaj Szadejko diese reiche Musik nicht nur entdeckt und ediert hat, sondern auch als Interpret sowohl in ihren traditionellen als auch innovativen Strömungen anschaulich macht. Das von Szadejko geleitete Goldberg Vocal Ensemble und das Goldberg Baroque Ensemble singen und spielen exzellent (Hörner!) und sind in der beeindruckenden Raumtiefe der St.-Trinitatis-Kirche zu Gdansk so voll wie transparent abgebildet.

Goldregnende Empfehlung

Wer innerhalb von anderthalb Minuten vom Wert dieses Albums überzeugt werden möchte, höre den „Wachet auf“-Choral, der am Schluss der Kantate „Ehre sey Gott in der Höhe“ steht, allein wegen des hinreißenden Zimbelstern-Registers, das der Organist zieht: So einen sanft herabregnenden Goldstaub wünschte man sich auch für manche Bach-Aufführung.

Prof. Michael B. Weiß [03.05.2023]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Friedrich Christian Mohrheim
1Der Herr ist mit mir (Festo Annunciationis Mariae) 00:14:24
7Uns ist ein Kind geboren (Cantata am ersten Weihnachtsfeiertage) 00:14:48
13Ehre sey Gott in der Höhe (Cantata Feria prima Nativitatis Christi) 00:01:46
17Tochter des Himmels (Aria Communio) 00:06:33
18Auserwählte Schar (Festo Michaelis) 00:05:27
20Der Herr ist Gott, der uns erleuchtet (Feria 2. Pentecost) 00:20:39

Interpreten der Einspielung

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