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Besprechung CD

Anna Bonitatibus

Monologues
Adele d'Aronzo

Prospero Classical PROSP0068

2 CD • 82min • 2021, 2022

15.04.2023

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

Die in diesem Album versammelten „Monologe“ sind keine Bestandteile von Opern, wie wir sie etwa von Hans Sachs oder der Feldmarschallin kennen, sondern in sich abgeschlossene Konzertstücke, die dem Genre der Kantaten und Konzert-Arien zuzurechnen sind. So wie sie hier von Anna Bonitatibus interpretiert werden, ist der Obertitel „Monologues“ jedoch gerechtfertigt, denn die Sängerin macht aus jeder Nummer – bei aller stilistischen Verschiedenheit – ein packendes Monodram.

Das erste und längste Stück, Ero von Niccolò Zingarelli (1752-1837), dessen Opern zu seiner Zeit viel gespielt wurden, ist eine Abfolge von sechs Rezitativen und kurzen Arien, in denen Hero zu Recht fürchtet, dass ihr geliebter Leander auf dem Wege zu ihr in den Fluten des Hellespont ertrinkt. Der ständige Wechsel der Stimmungen zwischen Hoffen und Bangen, süßen Erinnerungen und dunklen Vorahnungen, schließlich Verwünschungen gegen die Götter, wird vom Komponisten mit theatralischem Spürsinn eingefangen. Er hat von diesem Werk auch eine Orchesterfassung geschaffen.

Ein Fundstück

Eine „Weltersteinspielung“ ist Gaetano Donizettis Kantate Saffo, die selbst Kennern seines gewaltigen Œuvres, zu dem etwa 80 Opern zählen, bisher kaum bekannt gewesen sein dürfte. Er schrieb sie 1824 in Neapel, wo gerade seine Emilia di Liverpool herausgekommen war, und widmete sie seiner späteren Frau Virginia Vasselli, die sich damals noch im Teenageralter befand. Der nicht autorisierte Text, der möglicherweise vom Komponisten selbst stammt, ist wie Giacomo Leopardis im selben Jahr veröffentlichtes Gedicht L’ultimo canto di Saffo ein Abschiedsgesang der Dichterin, die sich wegen der Untreue ihres geliebten Faon ins Meer stürzen will. Die Komposition besteht aus einem dramatischen Rezitativ, das in eine melancholische Arie mündet („Come virginia rosa“), die von Desdemonas „Lied von der Weide“ (in Rossinis Otello) inspiriert scheint, und in einem furiosen Allegro gipfelt („Ma invan il perfido“), das auf Koloraturarabesken verzichtet und auf schroffe Ausdrucksgesten (Chromatik, Oktavsprünge) setzt.

Rossini und Wagner

Gioachino Rossinis Kantate Giovanna d’Arco, 1832 nach seinem Rückzug von der Opernbühne geschrieben, baut Johannas Abschiedsmonolog aus Schillers Die Jungfrau von Orleans („Lebt wohl, ihr Berge, ihr geliebten Triften“) zu einer „Gran Scena“ aus, die der Sängerin nicht nur viele Ausdrucksfacetten, sondern auch einige technische Akrobatik abverlangt.

Der junge Richard Wagner – ausgezogen, um von Paris aus die Musikwelt zu erobern – musste dort bald die deprimierende Erfahrung machen, dass sich kein Mensch für ihn interessierte. 1840, im ersten seiner drei „Pariser Hungerjahre“, versuchte er auf verschiedene Weise, Geld zu verdienen. Erfolg versprach er sich von acht Gesängen in französischer Sprache, darunter in Übersetzung Heinrich Heines Die beiden Grenadiere und Pierre-Jean de Bérangers Les Adieux de Marie Stuart. Den Klagegesang der 18jährigen schottischen Königin, die das geliebte Frankreich verlassen muss, richtet Wagner nach dem vermuteten Pariser Geschmack ein, wo damals Giacomo Meyerbeer und Gaetano Donizetti die musikalischen Götter waren. Die Pranke des späteren großen Musikdramatikers ist aber schon in dieser frühen Komposition zu spüren.

Im Geist des Fin-de-siècle

Die Jahrhundert-Sängerin Pauline Viardot hatte ihre aktive Bühnenlaufbahn schon lange hinter sich, als sie in den 1880er Jahren die Scéne de Hermione aus Jean Racines Andromaque in Musik setzte, als Reminiszenz gleichsam an die Schauspielkunst der Rachel, die in dieser Rolle brilliert hatte. Die dramatische Wirkung dieses Monologs entsteht aus den Kontrasten der wechselnden Stimmungen im Gesangspart und einem aufgewühlten Klaviersatz, der ein ganzes Orchester zu ersetzen scheint. Die damals als Pianistin berühmte, auch als Komponistin erfolgreiche Mel Bonis liefert mit Salomé (1909) ein reines Klavier-Intermezzo, es handelt sich um eine mehr düstere als sinnliche Version des Tanzes der sieben Schleier. Kein Monolog, vielmehr ein erzähltes Poem ist Ottorino Respighis Aretusa (1911) auf einen Text des Lyrikers Percy B. Shelley, die Geschichte der gleichnamigen Quellnymphe, die sich am Ende mit dem Flußgott Alpheus vereint. Stilistisch zeigt die Musik, die lange vor Respighis späteren erfolgreichen Opern geschrieben wurde, Einflüsse des französischen Impressionismus.

Die Wiedergabe dieser Mini-Dramen durch die italienische Mezzosopranistin Anna Bonitatibus, die durch die Pianistin Adele d’Aronzo markant unterstützt wird, ist schlicht überwältigend. Wir erleben eine singende Tragödin der alten Schule, eine Meisterin des dramatischen Belcanto, die Text und Musik bis in die feinsten Nuancen ausleuchtet, dabei das große Pathos nicht scheut und mit jedem Anschwellen der Stimme elektrisierende Wirkungen hervorruft.

Ekkehard Pluta [15.04.2023]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Niccolò Zingarelli
1Ero (Monologo per voce e pianoforte) 00:24:19
Gaetano Donizetti
2Saffo (Cantata a voce sola e pianoforte) 00:09:23
Gioachino Rossini
3Giovanna d'Arco (Cantata a voce sola e pianoforte) 00:17:01
CD/SACD 2
Richard Wagner
1Les Adieux de Marie Stuart WWV 61 (Lai [Lamento] pour voix et piano) 00:07:46
Pauline Viardot-Garcia
2Scène d'Hermione (pour contralto et piano) 00:06:53
Mélanie Bonis
3Salomé op. 100 ([Danse] pour piano) 00:04:41
Ottorino Respighi
4Aretusa (Poemetto per voce e pianoforte) 00:11:53

Interpreten der Einspielung

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