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Besprechung CD/SACD stereo/surround

The Essential Hebrew Violin

Anne Battegay

Ars Produktion ARS 38 348

1 CD/SACD stereo/surround • 49min • 2022

14.01.2023

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Die vorliegende Neuerscheinung des Labels Ars Produktion ist „The Essential Hebrew Violin“ betitelt, wobei man bei näherem Hinsehen feststellt, dass es gar nicht so einfach ist, das recht bunte, insgesamt 50-minütige Programm kurz auf einen Nenner zu bringen. Konzipiert von der Schweizer Geigerin Anne Battegay, ist das verbindende Element aller zehn Stücke ein Bezug zu jüdischer Kultur. Fast alle Werke sind von jüdischer Musik inspiriert (nur bei Fritz Kreislers Marche miniature viennoise steht der Bezug zu Wien an erster Stelle), und die Mehrzahl der Komponisten hat einen jüdischen Hintergrund, es sind aber auch Werke von Ravel, Bruch und Prokofjew enthalten. Bei den meisten der Stücke handelt es sich um (eigens für die Interpreten angefertigte) Arrangements für Violine bzw. Violoncello und kleines Streichorchester, bei zwei weiteren um Bearbeitungen für Klaviertrio. Insbesondere setzt zwar die Mehrzahl der Werke eine solistische Violine ein, aber es handelt sich um kein reines Violinrezital. Neben Anne Battegay wirken ihr Mann François Robin am Cello, der Pianist Alessandro Tardino sowie das Kurpfälzische Kammerorchester unter der Leitung von Marc-Olivier Oetterli mit.

Kontrollierte Expressivität, gesangliches Spiel

Anne Battegay erweist sich hierbei als kompetente, technisch souveräne und mit der Idiomatik dieser Stücke eingehend vertraute Interpretin. Gleich das einleitende Kaddisch aus Ravels Deux Mélodies Hebraïques spielt sie sehr fein und gesanglich, mit kontrollierter Expressivität und warmem, aber tendenziell stets auch ein wenig introspektivem Ton. Dies gilt selbst bei einem den Effekt sicherlich nicht meidenden Stück wie der Kadenz und Fantasie aus der Filmmusik zu Anatevka von John Williams bzw. Jerry Bock (als Autor des zugrundeliegenden Musicals), gerade im Vergleich mit Isaac Sterns originaler Interpretation. In diesem speziellen Fall mag man dies letztlich doch als leichtes Manko empfinden, doch insgesamt haben ihre natürlich wirkenden, gesanglich fließenden, unprätentiösen Lesarten entschiedene Meriten. François Robins Cellospiel zeichnen ähnliche Qualitäten aus, wobei mir Bruchs Kol Nidrei eine Nuance zu schnell geraten ist; hier wäre noch mehr Raum für den lyrischen Schmelz, der Bruchs Musik (und gerade diese langsamen Konzertsätze, die Bruch meisterhaft zu schreiben wusste) eben auszeichnet.

Gekonnte Arrangements für kleine Besetzungen

Die Arrangements von Lukas Medlam und Albena Petrovic Vratchanska sind gekonnt gemacht, nur über kleinere Details könnte man diskutieren (etwa, ob die tiefen Lagen ganz am Ende von Ravels Kaddisch im Streichorchester wirklich so gut funktionieren wie im Klavier oder vollen Orchester). Freilich: wo etwa Bruchs Kol Nidrei im Original ein Adagio mit vollem Orchester ist, wird hier nur ein kleines Streichorchester (d.h. 4-4-3-2-1 plus Harfe) eingesetzt. Schon im ersten Teil (in Moll), in dem auch im Original nahezu ausschließlich Streicher zum Einsatz kommen, macht sich die doch sehr kleine Besetzung bemerkbar, indem die lyrischen Passagen etwas kühler, die Strenge und Wucht etwa bei Buchstabe B (Pesante) aber weniger unmittelbar erscheinen. Wenn nach der Wendung nach D-Dur („Oh Weep for Those“) dann eigentlich die Bläser hinzukommen, wird das von Lukas Medlam zwar u.a. durch weitere Differenzierung der Streicher schön aufgefangen, aber nichtsdestotrotz: im Vergleich zum Original geht schon ein ganzes Stück (von Bruch sehr bewusst eingesetzte) Farbe verloren. Ein gewisses Quantum an Reduktion ist auch z.B. bei Achrons Hebräischer Melodie, die der Komponist ja auch selbst orchestriert hat, oder bei Prokofjews Ouvertüre über hebräische Themen (hier von Tardino für Klaviertrio eingerichtet) festzustellen. Dass die Bearbeitungen grundsätzlich „funktionieren“ und im Kontext dieses Albums auch ihre Wertigkeit besitzen, steht dabei außer Frage. Interessanterweise wird Joel Engels Freilechs als einziges Stück auf der CD im Original für Violine und Klavier dargeboten (und das sehr hörenswert).

Ein weites Feld großartiger Musik mit jüdischem Hintergrund

Neben dem solide informierenden Begleittext hat Anne Battegay auch ein persönliches Geleitwort zur CD verfasst. Wenn sie dabei notiert, das vorliegende Programm zeige auf, dass jüdisch inspirierte Musik nicht nur auf Klezmer reduziert werden könne, dann ist das völlig korrekt, wobei es natürlich an weiteren „Belegen“ in Form von großartigen Komponisten mit jüdischem Hintergrund keinesfalls mangelt (Meister wie Bloch oder Weinberg sind da nur die Spitze des Eisbergs, weswegen ich das Adjektiv „essenziell“ übrigens sehr entschieden mit einem Fragezeichen versehen würde). Insgesamt ein schönes Album.

Holger Sambale [14.01.2023]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Maurice Ravel
1Kaddish (aus: Deux mélodies hébraiques) 00:04:44
2L' énigme éternelle (aus: Deux mélodies hébraïques) 00:01:12
Jerry Bock
3The Fiddler on the Roof 00:04:22
Joseph Achron
4Hebräische Melodie op. 33 00:05:34
5Hebräisches Wiegenlied op. 35 Nr. 2 00:02:36
Joel Engel
6Freilechs op. 20 Nr. 2 00:03:36
Max Bruch
7Kol nidrei d-Moll op. 47 (Adagio nach hebräischen Melodien) 00:09:38
Sergej Prokofjew
8Ouvertüre über hebräische Themen op. 34 00:08:35
Alexander Krejn
9Caprice hébraïque op. 24 00:05:56
Fritz Kreisler
10Marche miniature viennoise 00:03:10

Interpreten der Einspielung

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