arpeggione
cpo 555 446-2
1 CD • 69min • 2020
10.08.2022
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Die (wie der Duden vorschlägt), der oder das (alle drei Geschlechter sind im Zusammenhang mit diesem Instument gebräuchlich) Arpeggione ist ein Hybridinstrument zwischen Violoncello und Gitarre, das in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts wegen seines silbrigen Klanges eine gewisse, wenn auch eingeschränkte, Beliebtheit genoss – man mag heute darin fast einen klanglichen Ersatz des romantischen Zeitalters für die mit der Barockmusik untergegangene Gambe vermuten – ein solcher Hybrid zwischen Gitarre und Cello entsprach freilich mehr dem Aufbruchsideal der romantischen Musik.
Heute ist die Arpeggione einzig noch bekannt durch Schuberts Sonate in a-Moll D. 821, die inzwischen dem Kernrepertoire des Violoncellos angehört und auch gelegentlich auf der Bratsche erklingt. 1823 erfand der Wiener Geigenbauer Johann Georg Stauffer (1776-1853) das Instrument, das seinerzeit die Namen „Gitarre-Violoncell“ oder „Violoncell-Gitarre“ erhielt. Die Arpeggione vereint die Zartheit der Gitarre mit den reichhaltigen melodiösen Ausdrucksmöglichkeiten des Violoncello – eine klangliche Vereinigung, die der Ästhetik des romantischen Zeitalters sehr entgegenkam. Man vermutet in Schuberts im November 1824 geschriebener Arpeggione-Sonate eine Auftragskomposition, möglicherweise wurde das Werk für den Solisten Vinzenz Schuster (?-vor 1863), einen besonderen Protagonisten der Arpeggione, geschrieben.
An die Sonate schließt sich ein Programm von fünf Übertragungen berühmter Lieder Schuberts an: Die Eindringlichkeit dieser Instrumentalversionen wird noch gesteigert durch Rezitationen der jeweiligen Liedtexte durch profilierte Schauspieler.
Kurzlebiges Instrument
Dem Instrument mit dem zarten Klang – nur für kleine kammermusikalische Besetzungen geeignet – war freilich kein langes Leben beschieden. Bald schon gewannen in der Musikszene die großen Formate der Orchestermusik die Oberhand – wohl auch in einem falsch verstandenen Verständnis der Nachfolge Beethovens, der bis zum Ende des 19. Jahrhunderts als fast unerreichbares Vorbild die Entwicklung von Orchester- und Kammermusik bestimmen sollte. Jetzt übernahmen die Instrumente des romantischen Orchesters auch Führungsrollen in der Kammermusik; für „altmodische“ (wenn auch erst im 19. Jahrhundert erfundene) Instrumente, die für den Orchestereinsatz nicht taugten, war kein Platz mehr. So ging der/die/das Arpeggione kurze Zeit nach seiner/ihrer Erfindung im Strudel der neuen Entwicklungen unter.
Wiederbelebung
Die historisch informierte Aufführungspraxis erkannte bald nach der durch sie veranlassten Wiederbelebung der ursprünglichen Klanggestalt der Musik des 17. und 18. Jahrhunderts, dass auch die Musik der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einer musikalischen und klanglichen Neubewertung bedürfe, um ihrer künstlerischen Zielvorstellung gerecht werden zu können. Diese Einspielung führt deutlich vor Ohren, welcher klangliche Gewinn in einer historisch informierten Aufführung von Kammermusik aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit inzwischen vergessenen Instrumenten liegen kann, selbst bei Stücken, die uns in anderer Klanggestalt vertraut sind.
Romantischer Zeitgenosse
Einen liebenswürdigen romantischen Beitrag zu diesem Programm liefern Kompositionen von Friedrich Burgmüller (1806-1874), der nur knappe zehn Jahre jünger als Schubert war, und dessen drei Notturni für Arpeggione und Gitarre dieses Programm stimmungsvoll ergänzen.
Detmar Huchting [10.08.2022]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Franz Schubert | ||
1 | Sonate für Arpeggione (Violoncello) und Klavier a-Moll D 821 (Arpeggionesonate) | 00:29:10 |
5 | Ellens Gesang III op. 52 Nr. 6 (Hymne an die Jungfrau) | 00:05:08 |
7 | Ständchen D 957 Nr. 4 | 00:03:52 |
9 | Gute Nacht op. 89 Nr. 1 | 00:06:13 |
11 | Der Tod und das Mädchen op. 7 Nr. 3 | 00:03:34 |
13 | Gefrorne Tränen op. 89 Nr. 3 | 00:03:06 |
Friedrich Burgmüller | ||
14 | Nocturne Nr. 1 für Arpeggione und Gitarre | 00:03:26 |
15 | Nocturne Nr. 2 für Arpeggione und Gitarre | 00:04:10 |
16 | Nocturne Nr. 3 für Arpeggione und Gitarre | 00:02:20 |
Interpreten der Einspielung
- Lorenz Duftschmid (Arpeggione)
- Paul Gulda (Hammerklavier)
- David Bergmüller (Gitarre)
- Chris Pichler (Rezitation)
- Michael Dangl (Rezitation)