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Besprechung CD

Wherever I Go...

Arvo Pärt, Gunter Herbig

Aldilà Records ARCD 021

1 CD • 61min • 2020

12.07.2022

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Die wunderbare Natürlichkeit des Klangs dieser E-Gitarre mit all ihren Möglichkeiten strömt einem ab dem ersten, neunminütigen Stück entgegen. Durchgängig, mehr als eine Stunde, ist auf dieser CD Herbigs „feeling for the right timing“ zu erleben. Subtile Agogik atmet Vollkommenheit im Formgefühl. Das knapp vierminütige Most Holy Mother of God kontrastiert durch eingebundene, eigentümlich abgedämpfte Non-legato-Klänge.

Psalom ist an Psalm 112 angelehnt, der zu auf höhere Macht vertrauende Gerechtigkeit aufruft. Die Komposition ist inspiriert vom kirchenslawischen Sprachduktus und überzeugt wohl genauso, wenn man das Stück nonverbal-absolut als verhaltene, unspektakulär großartige Musik genießt – innerhalb der Neuen Simplizität, für die Pärt unter anderem steht.

Bei Pärts ursprünglich für fünfstimmigen Chor komponiertem Magnificat, für welches die Gitarre umgestimmt wird, wird man Zeuge des Jahrhunderte überspannenden Ideals der Reinheit des Musizierens. In Reinheit wird dem ursprünglichen, hier verborgenen Subtext aus dem Lukas-Evangelium instrumental entsprochen. Die Gedanken gehen weit über diese Musik hinaus: Wie wäre es, wenn sich noch mehr Menschen, auch Politiker, heute ein wenig mehr jenen Inhalten zuwendeten, wie sie Pärt seit Jahrzehnten verinnerlicht und vermittelt hat?

Solfeggio höre ich als ein Fest musikalischer Gehörbildung in einem frei und zeitlos anmutenden musikalischen Raum. Wir hören ein achtsames Hineinlauschen in den Klang, zu dem die Aufnahmeart (24 bit / 96 kHz) das Ihre beiträgt.

Das bekannte Stück Für Alina, viereinhalb Minuten, überzeugt mich mehr in der Einspielung an der zweiten Stelle der CD als in jener auf einer präparierten Gitarre, mit der Alina im vorletzten Track der CD erklingt.

Oberhalb jeder Instrumentation

Der Monolith Arvo Pärt, dem ein Halbdutzend Ehrendoktorate und etliche andere Ehrungen zuteil wurden, wird im Booklet mit Bekenntnis zur absoluten Musik zitiert. Demgemäß muss „Musik durch sich selbst existieren“. Instrumentales Timbre sei immer nur „ein Teil der Musik“, und die Verabsolutierung einer besonderen Instrumentation käme für ihn einer „Kapitulation vor dem Geheimnis der Musik“ gleich. Also, „der höchste Wert der Musik (liegt) jenseits ihrer Klangfarbe“. Ob „zwei, drei Töne“ - „the mystery has to be there, regardless of the instrument.“ Fürwahr.

Fratres

In Bezug auf das Schlussstück der CD, Fratres, muss ich gestehen, dass es (mir) zwar über weite Strecken gefällt, jedoch nicht als ultimative Version erscheint. Von diesem bezwingenden und epochalen Stück werden viele Musikliebhaber bereits profunde Hörerlebnisse haben (das Booklet selbst nennt als Grundlage dieses Gitarrenarrangements die „legendäre Fassung für Klavier und Geige“ in ECM-Einspielung von Keith Jarrett und Gidon Kremer)!

Doch auch hier lohnt es sich, hinzuhören, etwa auf die Kohärenz und Kontinuität gebenden Borduntöne, die ich einer Gitarre kaum zugetraut hätte … Fast schon wähnt man sich im eigentümlichen Fratres-Paradies und überwindet es, wenn man ein wenig an den einleitenden arpeggierten Akkorden hängen geblieben sein sollte oder beim sinnfälligen Umgreifen der linken Hand auf dem Ebenholzbrett dieser noblen Gretsch White Falcon.

Tugenden der Reduktion

Der Spielraum des portugiesisch und deutsch aufgewachsenen Gunter Herbig überzeugt durch hoch aufmerksame Gelassenheit und nicht zuletzt durch eine Dynamik, welche in empfundener Entsprechung zur melodisch-harmonischen Spannung „emotional intelligent“ geführt erscheint. Hinzu kommen Farbgebungen, ja bisweilen Farbterrassen, denen man sich gern hingibt (Klangfarbe an und für sich ist ja kein strukturierbarer Parameter).

Rhythmisch-metrisch wäre an Herbigs Klangkunst hervorzuheben, was F. Busoni einmal als eine Maxime geäußert hat: Dass man notierte Taktstriche sehen darf und soll, aber besser nicht hören! (Fortsetzung dessen, was einst in der Romantik Robert Schumann als „höhere Interpunktion“ in die Welt gebracht hatte... Nicht zuletzt die in Pärts Texturen reichlich vorhandene melancholische und phlegmatische Sphäre wird damit transzendiert.)

Würdevolle Klangfortschreitungen münden auf dieser CD, als meditativer Akt, in jenem „seidigen High-End“, für welches das von Herbig benutzte Instrument von Haus aus steht.

Dr. Matthias Thiemel [12.07.2022]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Arvo Pärt
1My heart's in the Highlands 00:08:59
2Für Alina 00:04:27
3Most Holy Mother of God 00:03:49
4Magnificat 00:07:15
5Da pacem Domine 00:05:03
6Psalom 00:04:04
7Pari intervalo für Orgel solo 00:07:02
8Solfeggio 00:03:58
9Für Alina (prepared guitar) 00:04:29
10Fratres 00:11:23

Interpreten der Einspielung

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