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Besprechung CD/SACD stereo/surround

Trennung

songs of separation

BIS 2623

1 CD/SACD stereo/surround • 73min • 2021

18.05.2022

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Das Thema der Trennung hat in der Lyrik wie in der Musik über die Jahrhunderte hinweg einen herausragenden Platz. Im neuen Album der Sopranistin Carolyn Sampson, das sie diesmal nicht mit Joseph Middleton, sondern mit dem aus Südafrika stammenden Originalklang-Spezialisten Kristian Bezuidenhout gestaltet, ist der Focus dabei auf Musik aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eingeschränkt, auf Haydn und Mozart sowie drei Kleinmeister in ihrem Dunstkreis, die heute fast völlig in Vergessenheit geraten sind.

Kleine Mini-Oper

Der originellste Beitrag, Montan und Lalage, steht am Beginn des Programms. Er gehört zum Zyklus Musikalischer Versuch in Fabeln und Erzählungen des Herrn Prof. Gellert des Magdeburger Domorganisten August Bernhard Valentin Herbing (1735-66). Es geht in diesem Lied, das genau genommen eine kleine Mini-Oper ist, um ein Liebespaar, das in Seenot gerät und nun den Schwur einlösen muß, im Ernstfall für den Partner zu sterben, denn auf der vom Boot übrig gebliebenen Planke kann nur einer von ihnen überleben. Montan opfert Lalage, die wie durch ein Wunder gerettet wird und ihm, wieder auf festem Boden, verständlicherweise den Laufpaß gibt. Herbing erzählt diese Geschichte in einem Wechsel von Rezitativen, ariosen Passagen und Klavierzwischenspielen, in denen Sturm und Schiffbruch lautmalerisch dargestellt werden. Hier bewährt sich Carolyn Sampsons filigraner, aber expansionsfähiger und durchschlagskräftiger Sopran mit vokalem Charme auch in höheren Lagen und farbigem dramatischen Vortrag. Und Kristian Bezuidenhout, der auf einem nachgebauten historischen Klavier von 1805 spielt, das über weite Strecken wie ein Cembalo klingt, assistiert ihr auf seinem Instrument nicht minder beredt.

Oden an das Klavier

Friedrich Gottlob Fleischer (1722-1806), Hofmusiker in Braunschweig, war zu seiner Zeit auch als Komponist hoch geschätzt. Seine Sammlung Oden und Lieder mit Melodien ging mit den üppigen Verzierungen des Vokalparts über den Standard damaliger Salonlieder hinaus. In An den Schlaf, ein Gutenacht-Lied für eine angebetete Doris, spielt das Klavier eine eigenständige, kommentierende Rolle. Im dreistrophigen Lied Das Clavier („Du Echo meiner Klagen“) verstärkt die rechte Hand die Gesangslinie, vermutlich, weil damalige Sänger sich selbst begleitet haben. Auch in der Ode An das Clavier des Stettiners Christian Michael Wolff (1707-89) wird vor allem die tröstende Funktion des Instruments besungen, das hier musikalisch die Hauptrolle spielt, so dass man von einer Klavierfantasie mit Gesangseinschüben sprechen kann. Wolff war ein Vertreter des „empfindsamen“ Stils, der zu dieser Zeit vor allem in Norddeutschland in Mode war.

Gelegentliches der großen Meister

Bei den vier ausgewählten Liedern von Wolfgang Amadeus Mozart, die alle aus dem Jahr 1787 stammen, handelt es sich um Gelegenheitsarbeiten, in denen das Thema Trennung überwiegend spielerisch behandelt wird. Parodistisch im Lied der Trennung, wo sich das männliche Ich geradezu im Trennungsschmerz suhlt, aber auch im opernhaft übertriebenen Als Luise die Briefe ihres ungetreuen Liebhabers verbrannte, erotisch-doppelsinnig in An Chloe, sentimental vom Text, aber musikalisch innovativ in Abendempfindung. Joseph Haydn bildet mit drei Liedern und der Kantate Arianna a Naxos den Schwer- und Schlusspunkt des Programms. Die Verlassene, Antwort auf die Frage eines Mädchens und Das Leben ist ein Traum sind eine Reaktion des Komponisten auf den von Kaiser Joseph II. begünstigten Trend zu deutschen Liedern auf dem Amateurmarkt. Die 1789 geschriebene Kantate, ein italienisch gesungener Opern-Monolog der von Theseus verlassenen Ariadne in zwei Rezitativen und zwei Arien, war nicht nur bei seinem Erscheinen außerordentlich erfolgreich, sondern hat auch bis heute viele Interpretationen erfahren und liegt in zahlreichen Einspielungen vor. Wirklich dramatisch ist sie aber nicht, und die diskrete Kunst von Carolyn Sampson leuchtet zwar Innenräume des Gefühls aus, ist aber insgesamt wenig kontrastreich. Der Pianist Kristian Bezuidenhout besticht hier wie in allen voran gegangenen Stücken durch schwerelose Leichtigkeit des Anschlags, pointierte Akzentsetzung und vor allem äußerste Delikatesse in der Phrasierung. Das Booklet enthält die gesungenen Texte und eine sehr informative Werkeinführung von Richard Wigmore.

Ekkehard Pluta [18.05.2022]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
August Bernhard Valentin Herbing
1Montan und Lalage (Eine Erzählung. Aus Musikalischer Versuch) 00:12:15
Wolfgang Amadeus Mozart
2Das Lied der Trennung KV 519 00:06:27
Friedrich Gottlob Fleischer
3An den Schlaf (aus Oden und Lieder mit Melodie, zweiter Teil) 00:04:17
Wolfgang Amadeus Mozart
4An Chloe KV 524 00:02:28
5Als Luise die Briefe ihres untreuen Liebhabers verbrannte KV 520 00:01:39
6Abendempfindung an Laura KV 523 00:04:35
Christian Michael Wolff
7An das Clavier (aus Sammlung von Oden und Liedern zum Singen) 00:06:37
Friedrich Gottlob Fleischer
8Das Clavier (aus Oden und Lieder mit Melodien) 00:02:48
Joseph Haydn
9Die Verlassene Hob. XXVIa:5 00:04:34
10Antwort auf die Frage eines Mädchens Hob. XXVIa:46 00:03:36
11Das Leben ist ein Traum Hob. XXVIa:21 00:03:29
12Arianna a Naxos Hob. XXVIb:2 (Kantate) 00:18:25

Interpreten der Einspielung

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