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Besprechung CD

Olivier Messiaen

Quatuor pour la fin du temps

OUR Recordings 6.220679

1 CD • 47min • 2020

28.05.2022

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Kammermusik spielt im Schaffen des großen Franzosen Olivier Messiaen keine sonderlich große Rolle, doch mit seinem Quatuor pour la fin du temps hat er längst nicht nur innerhalb seines eigenen Œuvres einen echten Meilenstein gesetzt. Die Umstände der Entstehung des Quartetts in deutscher Kriegsgefangenschaft sind hinreichend bekannt, ebenso seine Inspiration durch die Offenbarung des Johannes. Eine faszinierende, tief empfundene Musik (übrigens auch ungeachtet aller religiösen Bezüge), die in vielfacher Hinsicht außergewöhnlich anmutet.

Das beginnt bereits mit der Besetzung, die zwar nicht völlig singulär (Rabl, Hindemith) ist, aber doch Seltenheitswert hat, wobei dann aber wiederum nur die Hälfte der Sätze überhaupt für alle vier Instrumente gesetzt und ein weiterer Satz (der sechste) faktisch einstimmig ist (überhaupt wird Polyphonie insgesamt eher sparsam eingesetzt). Bemerkenswert auch die Struktur in acht Sätzen von zum Teil deutlich verschiedener Ausdehnung und Faktur (mit einer Tendenz zu langsamen Tempi) sowie der Kontrast zwischen einer zumeist recht frei gehandhabten, bis an ihre Grenzen geführten Tonalität und dem glasklaren E-Dur der beiden Louanges. So disparat dies auf den ersten Blick erscheinen mag (zumal bei einer Länge von etwa 50 Minuten): tatsächlich handelt es sich um ein ganz und gar rundes, dramaturgisch restlos überzeugendes Werk, ein Dokument stupender kompositorischer Meisterschaft.

Homogenität und melodischer Fluss

Das dänische Label OUR Recordings stellt das Quartett in einer Neuaufnahme aus dem Jahre 2020 vor, gespielt von namhaften dänischen Musikern. Der Pianist Per Salo ist – gerade als Interpret dänischen Repertoires – eine wohlbekannte Größe, ebenso wie die Geigerin (und Duopartnerin Salos) Christina Åstrand, Konzertmeisterin des DR Symfoniorkestret, in welchem auch der Klarinettist Johnny Teyssier und der Cellist Henrik Dam Thomsen Solopositionen besetzen. Die vier Musiker präsentieren sich als homogenes (und technisch erwartbar hochklassiges) Ensemble. Ihre Lesart des Quartetts ist insgesamt lyrisch, eher schlank, Extreme vermeidend (auch in der Wahl der Tempi), den melodischen Fluss des Werks in den Vordergrund stellend. Das Nebeneinander der Vogelstimmen im ersten Satz realisieren die Musiker mit großer Natürlichkeit und sorgfältiger Herausarbeitung von Artikulation und Melodiebögen, hervorzuheben ist auch Per Salos Gespür für die Farben dieser Musik, für ihre reiche Harmonik, nicht nur hier, sondern auch z. B. im ruhigen Pulsieren der Begleitung in den Louanges.

Stille, verhaltene Expressivität

Teyssier spielt den solistischen dritten Satz mit warmer, runder (und dabei gleichzeitig die Vortragsanweisung désolé exzellent umsetzender) Tongebung in den tiefen Lagen. Henrik Dam Thomsen und Christina Åstrand gestalten ihre Soli in den beiden Louanges mit stiller, verhaltener Expressivität. Gerade Åstrand versteht ihren Part im letzten Satz recht zurückgenommen, fast kühl, eher punktuell (avec amour) stärker gefühlsbetont, etwa im Vergleich mit Janine Jansen (Sony), die bei ähnlicher Tempowahl den Satz mit direkterer Emotionalität und mehr Vibrato interpretiert. Die zurückhaltende Lyrik der Dänen funktioniert insgesamt ungemein überzeugend; nur gelegentlich könnte die Musik einen etwas kraftvolleren Zugriff vertragen, namentlich im sechsten Satz. Sicherlich ist die dynamische Bandbreite, die Messiaen vorschreibt, groß bis hin zum vierfachen Forte, und insofern erscheint es durchaus sinnvoll, ein Fortissimo wie zu Beginn dieses Satzes nicht zu stark zu forcieren. Dennoch: in den Vortragsanweisungen ist hier u.a. von granitique und martelé, später bronzé die Rede, und solcherlei Charakteristika gehen der vorliegenden Einspielung in diesen Passagen ein wenig ab.

Die Tontechnik ist tadellos und bildet das Mit- und Nebeneinander der vier Instrumente vorzüglich ab. Der (in englischer und französischer Sprache vorliegende) Begleittext unternimmt den Versuch, Werk und Hintergründe in einer Art literarischem Essay auf Basis u.a. von Rebecca Rischins Buch über Messiaens Quartett sowie den eigenen Kommentaren des Komponisten in der Partitur vorzustellen. Eine sehr gute Neueinspielung.

Holger Sambale [28.05.2022]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Olivier Messiaen
1Quatuor pour la fin du temps für Klarinette, Violine, Violoncello und Klavier 00:47:02

Interpreten der Einspielung

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