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Besprechung CD

Luigi Boccherini

6 Sonatas for violoncello and basso
Klangpantomime • Sound Pantomimes

Coviello Classics COV92005

2 CD • 1h 42min • 2017

26.12.2021

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Dafür, dass Luigi Boccherini selbst Cellovirtuose war, hat er seinen Cellokonzerten und -sonaten eine verblüffend geringe Bedeutung in seinem Schaffen eingeräumt: keines der zwölf Konzerte und keine der mehr als 30 Sonaten wurde von ihm selbst in Druck gegeben, und in seinem Werkverzeichnis finden diese Kompositionen nicht einmal Erwähnung. Der Grund dafür ist vermutlich, dass es sich um verhältnismäßig frühe, für den eigenen Gebrauch komponierte Werke handelt. Lediglich sechs seiner Sonaten erschienen (allerdings nicht auf Boccherinis Veranlassung) zu seinen Lebzeiten im Druck, erstmals in der ersten Hälfte der 1770er Jahre in London. Um diese sechs Sonaten handelt es sich bei den Werken auf der vorliegenden Doppel-CD des Labels Coviello Classics, gespielt von Dmitri Dichtiar und begleitet von Pavel Serbin am zweiten Cello sowie Thorsten Bleich an diversen Zupfinstrumenten. Boccherini gibt als Besetzung dieser Werke Cello „und Bass“ an, womit erst einmal kein Basso continuo gemeint ist (die Bassstimme ist nicht beziffert), sondern sehr wahrscheinlich typischerweise ein zweites Cello. Man kann allerdings getrost annehmen, dass Boccherini selbst hier Flexibilität hat walten lassen, und so ist es eine naheliegende Idee, wie in der vorliegenden Aufnahme die Bassstimme zusätzlich durch eine Erzlaute (Sonaten Nr. 1, 2&5), Barockgitarre (Nr. 3), Theorbe (Nr. 6) oder eben gar nicht (Nr. 4) ausgestalten zu lassen.

Galante Szenerien mit kantabler Solostimme

Grundsätzlich stehen die Sonaten als frühe Werke noch deutlicher zwischen Barock und Klassik als Boccherinis spätes Schaffen. Alle sind dreisätzig, entweder gemäß der Abfolge schnell-langsam-schnell oder langsam-schnell-schnell, wobei der Schlusssatz oft Menuettcharakter besitzt. Galante, melodisch attraktive, oft bemerkenswert beredte, kleine Szenen heraufbeschwörende Musik (so ist auch der Titel der CD, Klangpantomime nämlich, zu verstehen). Dem Solocellisten verlangen sie einiges ab, wie oft bei Boccherini nicht zuletzt, da hier ausgesprochen kantables Spiel in hohen Lagen gefragt ist. Die Begleitstimme tritt demgegenüber deutlich in den Hintergrund, ohne reines Fundament zu sein; in der Sonate Nr. 4 (die im Gérard-Verzeichnis doppelt geführt wird, einmal davon unter G 75 als Sonate für zwei Celli) wird die zweite Stimme gerne auch parallel zur Solostimme in Terzen oder hier und da in Andeutung eines Kanons geführt.

Geschmack, Anmut und Sinn für den musikalischen Fluss

Dmitri Dichtiar ist u.a. Lehrbeauftragter für Barockcello an der Hochschule für Musik Karlsruhe, und naturgemäß ist seine Einspielung klar der historisch informierten Aufführungspraxis zuzurechnen (übrigens wie zumeist in tiefer Stimmung, so dass die Werke nach heutigen Maßstäben faktisch einen Halbton tiefer erklingen). Dabei verzichtet er aber anders als vielerlei Einspielungen aus der Szene auf Überspitzungen: man findet hier keine übertrieben rasanten Tempi (wobei es natürlich Unterschiede gibt: in der Sonate Nr. 4 etwa sind die beiden ersten Sätze eher auf der raschen Seite, das abschließende Affettuoso dagegen wird mit ruhiger Noblesse gespielt), sondern Dichtiar gibt der Musik Zeit, zu sprechen, arbeitet die für diese Musik so wichtigen melodischen Bögen sorgfältig heraus, trägt ihrer Charakteristik, der ihr eigenen Anmut umfassend Rechnung. Die Interpretationen sind expressiv, Moll-Eintrübungen und atmosphärische Nuancen werden entsprechend klar herausgearbeitet (z.T. auch durch leichtes Abschwächen des Tempos), aber ohne Knalleffekte, sondern mit Gespür für den musikalischen Fluss. Die Ornamente, die Dichtiar (insbesondere bei den Wiederholungen) ergänzt, zeugen von Geschmack und Charme, und die Besetzung mit Zupfinstrument gibt der Musik einen kammermusikalisch-intimen, ungemein stimmigen Anstrich. Pavel Serbin spielt die zweite Stimme gegenüber der ersten deutlich zurückgenommen und betont schlank, u.a. indem die Viertel in den schnellen oder die Achtel in den langsamen Sätzen in der Regel gegen Ende stark abgeschwächt werden. Natürlich ist dies so gewollt, aber hier und da könnte die Musik m.E. doch eine gleichmäßigere Tongebung vertragen (exemplarisch sei hierbei auf die c-moll-Passage nach der Fermate zu Beginn des zweiten Teils des zweiten Satzes der Sonate Nr. 4 verwiesen).

Einspielungen mit Gespür für die Charakteristik der Musik

Der Begleittext von Thomas Seedorf ist lesenswert, die Klangqualität vorzüglich. Der besseren Übersicht halber hätte man allerdings ruhig noch die entsprechenden Nummern der Sonaten im Gérard-Verzeichnis angeben können. Insgesamt eine sehr schöne Einspielung, die die Charakteristik dieser Musik vorzüglich zur Geltung bringt.

Holger Sambale [26.12.2021]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Luigi Boccherini
1Sonate Nr. 1 A-Dur für Violoncello und Basso continuo 00:15:08
4Sonate Nr. 2 C-Dur für Violoncello und Basso continuo 00:18:35
7Sonate Nr. 3 G-Dur für Violoncello und Basso continuo 00:16:00
CD/SACD 2
1Sonate Nr. 4 Es-Dur für Violoncello und Basso continuo 00:17:30
4Sonate Nr. 5 F-Dur für Violoncello und Basso continuo 00:14:06
7Sonate Nr. 6 A-Dur für Violoncello und Basso continuo 00:20:11

Interpreten der Einspielung

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