Andrea Gabrieli
Motets, Psalms & Organ Works
cpo 555 291-2
1 CD • 69min • 2018
20.09.2021
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Der Neffe ist bekannter als der Onkel: Andrea Gabrieli (1532-1585) ist der Lehrer seines viel berühmteren Neffen Giovanni Gabrieli gewesen, stand zeitweise in bayerischen Diensten gemeinsam mit Orlando di Lasso und verbrachte ansonsten sein ganzes Leben in Venedig, wo er seit 1566 bis zu seinem Tode Erster Organist an San Marco war und dabei sehr viel komponierte: 7 Messen, ca. 120 geistliche Werke zu 4-12 Stimmen, 184 Madrigale zu 3-12 Stimmen sowie 46 Instrumentalstücke sind erhalten. Die vorliegende CD bringt einen Querschnitt durch die Motettenvielfalt, dazwischen gestreut sind Orgel-Werke.
Große Varianz der Besetzungen
Die seit 25 Jahren bestehende Weser-Renaissance unter der Leitung von Manfred Cordes ist bekannt für stilsichere und mustergültige Interpretationen der Musik des 16. Jahrhunderts. Groß ist die Varianz der Besetzungen der oft bis zu 12-stimmigen Werke, die Stimmen mit Instrumenten verschmelzen und aufs Beste verzahnen. Da zeigt sich die wissenschaftliche Gründlichkeit von Manfred Cordes, der seit 1994 Professor an der Hochschule für Künste Bremen ist.
Vorbildlich gerade und instrumental geführt sind die Stimmen, so dass zusammen mit den Instrumenten plane Klangflächen entstehen, die sich in der Stiftskirche Bassum schön entfalten können. Aber manchmal schleicht sich ein zu akademisches Klangbild ein – ein bisschen mehr Spontaneität, italienisches Temperament, rhythmischer Schwung und innere Beschwingtheit, ja ein bisschen mehr Entflammtheit würde den perfekt gesungen und gespielten Werken guttun. Und ein paar Sänger mehr würde die „Klangpracht an San Marco“, von der im Booklet die Rede ist, noch prachtvoller zur Wirkung bringen. Hier ist jede Stimme solistisch besetzt – der Chor an San Marco hatte zu besten Zeiten 40 fest angestellte Sänger! (siehe Martin Schlu: Kompositionstechnik und Aufführungspraxis mehrchöriger Werke der venetianischen Spätrenaissance, 1984)
Fortwährend gesteigerte Klangpracht
Am schönsten klingen die Stücke, in denen die ebenso klar wie beseelt singende Sopranistin Marie-Luise Werneburg mit von der Partie ist. Das Kyrie (Track 3) zeigt exemplarisch, wie die Klangpracht fortwährend gesteigert wird, von anfangs 5 bis am Schluss 8 Stimmen.
Die reinen A-capella-Stücke sind reintönig und fein austariert gesungen. Am besten ist die Motette Domine, ne in furore tuo (Track 13) musiziert: Hier singen alle bewusst den Text, da wechselt die Stimmung und damit der musikalische Charakter ständig zwischen Bitte, Flehen, Erschrockenheit, gramvollen Seufzern und gläubiger Zuversicht, bei dem Ausdruck „turbatus est“ (zerstört) wird der Chorklang gleichsam wilder beim Wort „conturbenter“ (verwirrt) rollen alle dramatisch das „r“ und bei „velociter“ singen alle mit italienisch offenem Vokalklang: Das ist wahrlich nicht mehr akademisch, sondern höchst lebendig.
Die Aufnahmetechnik lässt bisweilen die Stimmen in den Hintergrund geraten und rückt die Instrumente in den Vordergrund: Umgekehrt wäre es besser.
Die Orgelstücke von Andrea Gabrieli gestaltet Edoardo Bellotti sehr lebendig, sorgfältig und prägnant, transparent und frisch phrasiert und präsentiert sie geradezu liebevoll.
Rainer W. Janka [20.09.2021]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Andrea Gabrieli | ||
1 | Deus misereatur nostri (à 12) | 00:04:06 |
2 | Toccata primi toni | 00:04:01 |
3 | Kyrie eleison - Christe eleison - Kyrie eleison (à 5 - à 8 - à 12) | 00:05:32 |
4 | Recercare arioso | 00:04:29 |
5 | Egredimini (à 8) | 00:02:17 |
6 | O gloriosa Domina (à 6) | 00:03:18 |
7 | Sancta Maria (à 6) | 00:03:04 |
8 | Ave regina (à 7) | 00:02:06 |
9 | Ricercare in C | 00:05:08 |
10 | IubilateDeo (à 8) | 00:03:21 |
11 | Sanctus (à 12) | 00:02:29 |
12 | Canzon ariosa | 00:02:55 |
13 | Domine, ne in furore tuo (à 6) | 00:07:46 |
14 | Deus, qui beatum Marcum (à 8) | 00:02:44 |
15 | Exultate iusti (à 10) | 00:03:36 |
16 | Angelus ad pastores ait (à 4) | 00:01:34 |
17 | Angelus ad pastores ait (Intavolierung E. Bellotti) | 00:02:53 |
18 | Domine Deus meus (à 7) | 00:03:34 |
19 | Benedicam Dominum (à 12) | 00:04:03 |
Interpreten der Einspielung
- Weser-Renaissance (Ensemble)
- Manfred Cordes (Dirigent)
- Edoardo Bellotti (Orgel)