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Besprechung CD/SACD

Ewald Straesser

Quintet op. 9, Quintet op. 34, Sonata op. 58

MDG 948 2199-6

1 CD/SACD • 77min • 2020

07.08.2021

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

Das 2009 gegründete Berolina Ensemble blickt mittlerweile auf eine Reihe gerade in puncto Repertoire sehr interessanter CD-Veröffentlichungen (vornehmlich bei MDG) zurück. Zum größten Teil handelt es sich dabei um echte Pionierarbeit rund um Komponisten aus dem deutschen Sprachraum des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts wie etwa Baußnern, Kaun oder Rudorff, deren Musik bislang diskographisch kaum erschlossen ist. Hier gibt es also viel zu entdecken, und dies bestätigt sich auch mit der neusten CD, die Kammermusik (mit Klarinette) von Ewald Straesser (1867–1933) vorstellt.

Straesser, auch Sträßer oder Strässer geschrieben, war gebürtiger Rheinländer. Von einer kurzen Unterbrechung abgesehen wirkte er fast sein gesamtes Berufsleben lang als Lehrer für Komposition an den Musikhochschulen von Köln und später Stuttgart; sein eigenes kompositorisches Schaffen, 58 Opuszahlen umfassend, ist im Wesentlichen auf das 20. Jahrhundert konzentriert. Zu seinen Lebzeiten genoß seine Musik durchaus Anerkennung (zwei seiner Sinfonien wurden u.a. von Furtwängler aufgeführt), und noch in der ersten Auflage der MGG war sein Name vertreten. Auf CD sind bislang allerdings nur einige Cellostücke vertreten sowie eine zweite Einspielung des Klarinettenquintetts (Sterling).

In der Tradition der deutschen Spätromantik

Straessers Musik wurzelt fest in der Tradition der deutschen Romantik, und besonders der Name Brahms ist immer wieder mit seinen Werken in Verbindung gebracht worden. Ob sein Schaffen damit erschöpfend charakterisiert werden kann, erscheint fraglich; zwei in Rundfunkmitschnitten vorliegende Sinfonien legen nahe, dass Straesser auch für andere Einflüsse bis hin zum frühen Strauss empfänglich war. Das auf dieser CD an erster Stelle stehende, rund 35-minütige Klarinettenquintett op. 34 aus dem Jahre 1915 freilich weiß die Nähe zu Brahms zu bestätigen: tatsächlich klingt das große Vorbild immer wieder an, etwa in Harmonik und Melos. Auch beim Wechselspiel zwischen Dur und Moll, das weite Teile des Finales prägt, mag der Finalsatz von Brahms’ G-Dur-Streichquintett Pate gestanden haben. Ungeachtet aller Einflüsse handelt es sich insgesamt um ein reizvolles, eher sonnig gestimmtes Werk mit breiten Melodielinien im ersten und dritten (langsamen) Satz und einem kecken Scherzo an zweiter Stelle. Im früheren Bläserquintett op.9b (1903) ist Brahms’ Einfluss vor allem in den beiden aparten, intermezzohaften Mittelsätzen zu spüren, trotz des Schwerpunkts auf den Ecksätzen wohl die eigentlichen Herzstücke des Werks.

Individuelle Aneignung von Neuerungen im Spätwerk

Das dritte Werk auf dieser CD ist Straessers späte Klarinettensonate op. 58, ein Jahr vor seinem Tod entstanden und insbesondere mit Blick auf die Entwicklung seiner Tonsprache aufschlussreich. Straesser bleibt Spätromantiker, reagiert aber gleichzeitig maßvoll und durchaus individuell auf neuere Tendenzen. So ist der zweite Satz diesmal wiederum ein Intermezzo, hier aber in Form eines stilisierten, reich ornamentierten langsamen Walzers (oder Menuetts), in dem hier und da sogar ein wenig Groteske aufleuchtet, oder im von farbig harmonisierter Akkordik im Klavier geprägten langsamen Satz. Charakteristisch auch der Schluss der Sonate, in dem die chromatische Wechselnote aus der das zweite Thema einleitenden Triole lang gedehnt und als Mollterz verstanden wird, ehe die Musik doch zu E-Dur zurückgefindet und die Sonate ganz lakonisch endet. Also auch hier ein Wechselspiel zwischen Dur und Moll und wie in beiden anderen Werken ein leiser Schluss, aber auf andere, „modernere“ Art.

Vorzügliche Interpretationen mit Sinn für lyrischen Fluss

Die drei Werke werden durch das Berolina Ensemble mustergültig, sehr klangschön und mit Sinn für die breiten melodischen Linien von Straessers Musik interpretiert. Im Vergleich zur Sterling-Einspielung wird im Klarinettenquintett stärker der lyrische Fluss der Musik betont, was mit dem Wesen und den Stärken von Straessers Musik sehr gut korrespondiert; nur der langsame Satz könnte gelegentlich etwas mehr Kontrast vertragen. Ein weiteres Positivum ist das für MDG charakteristische sehr natürliche, ausgewogene Klangbild. Das Beiheft informiert detailliert über Straesser, allerdings hätten die einzelnen Werke noch etwas eingehender diskutiert werden können. Insgesamt wiederum eine sehr schöne Veröffentlichung, die Straesser als einen ausgesprochen respektablen Komponisten präsentiert.

Holger Sambale [07.08.2021]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Ewald Sträßer
1Quintett G-Dur op. 34 für Klarinette, 2 Violinen, Viola und Violoncello 00:34:00
5Sonate E-Dur op. 58 für Klarinette und Klavier 00:22:12
9Quintett op. 9b für Flöte, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott 00:20:58

Interpreten der Einspielung

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