Christoph Graupner
Antiochus und Stratonica
cpo 555 369-2
3 CD • 3h 45min • 2020
04.01.2021
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Die Hamburger Oper war das Sprungbrett nicht nur in die Karriere Christoph Graupners (1683-1760), der hier ab 1705 als Cembalist in Reinhard Keisers Opernorchester tätig war; auch Georg Friedrich Händel machte hier die ersten Schritte seiner Karriere. Das beweist nicht nur die Bedeutung dieses bürgerlichen Musiktheaters am Hamburger Gänsemarkt für die Geschichte der deutschen Barockoper, sondern bezeugt auch Graupners Rang als Komponist, dessen Oper L’Amore Ammalato. Die kranckende Liebe, oder: Antiochus und Stratonica 1708 auf der Hamburger Bühne ihre Premiere feiern konnte.
Unentbehrlicher Hofmusiker
Nur ein Jahr, nachdem diese Oper über die Bühne der hamburgischen Oper am Gänsemarkt gegangen war, hörte der Landgraf Ernst-Ludwig von Hessen-Darmstadt Graupners Musik, war augenblicklich begeistert und engagierte ihn an seinen Hof. Zwei Jahre später war Graupner Hofkapellmeister, und die Darmstädter Residenz wurde zum goldenen Käfig für den Komponisten: Als Graupner drauf und dran war, Nachfolger von Johann Kuhnau 1722 als Thomaskantor in Leipzig zu werden, weigerte sich Ernst Ludwig, ihn aus seinen Diensten zu entlassen. Graupners Wirkungsmöglichkeiten in Darmstdt blieben freilich günstig, und die gute Überlieferung seines Werks in der Universitäts- und Landesbibliothek in Darmstadt garantiert heute, dass sein Schaffen bibliothekarisch zu den am besten bewahrten im Kreis seiner zeitgenössischen Kollegen gehört.
Entdecker und Interpreten
Im vorliegenden Fall treffen glückliche Umstände zusammen, indem die drei Entdecker dieses Werks auch Paten der vorliegenden Einspielung sind: Paul O’Dette und Stephen Stubbs sind Leiter dieser Einspielung im Rahmen der Veröffentlichungen des Boston Early Music Festivals, überdies steuert der dritte Entdecker, Jörg Jacobi, den Textbeitrag zu diesem Werk bei: Alle drei haben diese Wiederentdeckung von Antiochus und Stratonica bewirkt und für die Bereitstellung einer Partitur des Werks gesorgt.
Meister seines Fachs
Graupner schrieb auch in Darmstadt noch einige dramatische Werke, hinterließ aber auch eine Vielzahl Kompositionen geistlicher Musik, wie auch konzertante und kammermusikalische Werke. In allen Genres bewies er sich als vorzüglicher Komponist seiner Generation (immerhin derer von Bach, Händel und Telemann). In Darmstadt konnte er in allen Genres der Musik glänzen – das war J. S. Bach , der den Leipziger Posten schließlich bekommen hatte, nur eingeschränkt möglich: Er wurde zu Dienstantritt gewarnt, seine Musik dürfe nicht „zu opernhafft herauskommen“ – man achtete in der frommen Messestadt an der Pleiße darauf, dass die Andacht und die Aufmerksamkeit für das Wort Gottes nicht durch die Erregung von Gefühlsaufwallungen in der Kirchenmusik beeinträchtigt wurden. J. S. Bach ist es trotz seiner prüden geistlichen Obrigkeit in Leipzig immer wieder gelungen, seine Werke mit Dramatik zu beleben – wie besonders seine Matthäus- und Johannispassion eindrucksvoll unter Beweis stellen – dennoch zeigt diese Oper Christoph Graupners, dass dieser nur 25-jährige Meister alle dramatischen Tricks seiner vorhergegangenen Meister G. F. Händel und Reinhard Keiser (1674-1739) perfekt beherrscht und dennoch ein eigenständiges Werk abliefert.
Mitreißende Aufführung
Diese in Co-Produktion des Boston Early Music Festivals mit Radio Bremen im Januar/Februar 2020 zustande gekommene Einspielung des Werkes lässt an Temperament und stilistischer Integrität nichts zu wünschen übrig – die Vokalsolisten stellen hervorragende Einfühlung in ihre Rollen unter Beweis, dabei sind auch die Leistungen der instrumentalen Partien des Werkes bemerkenswert. Kurzum: Die Aufführung einer deutschen Barockoper ohne Fehl und Tadel!
Detmar Huchting [04.01.2021]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Christoph Graupner | ||
1 | Antiochus und Stratonica | 03:44:30 |
Interpreten der Einspielung
- Christian Immler (Antiochus - Bariton)
- Hana Blažiková (Stratonica - Sopran)
- Harry Kamp (Seleucus - Baß)
- Sunhae Im (Mirtenia - Sopran)
- Sherezade Panthaki (Ellenia - Sopran)
- Aaron Sheehan (Demetrius - Tenor)
- Jesse Blumberg (Hesychius - Bariton)
- Jan Kobow (Negrodorus - Tenor)
- Karlina Hogrefe (Flavia - Sopran)
- Kim Kavanagh (Medor - Sopran)
- Robert Mealy (Countertenor)
- Boston Early Music Festival Orchestra (Orchester)
- Paul O'Dette (Dirigent)
- Stephen Stubbs (Dirigent)