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Besprechung CD

Hindemith

Kammermusik IV - V - VI - VII
Christoph Eschenbach

Ondine ODE 1357-2

1 CD • 73min • 2019

15.09.2020

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

Mit dieser zweiten CD vollendet Christoph Eschenbach seine Einspielung von Paul Hindemiths sieben Kammermusiken mit ganz außerordentlichen Nachwuchsmusikern. Es spielen wieder Streicher der Kronberg Academy, aus deren Reihen sich auch die drei Solisten – alle zwischen 22 und 24 Jahren jung – rekrutieren, sowie Bläser des Schleswig-Holstein Festival Orchestras. Für die siebte Kammermusik holte man sich den erfahrenen Konzertorganisten Christian Schmitt hinzu. Da sich das ansonsten sehr informative Booklet auch diesmal über die Solisten ausschweigt: Die Künstlerbiographien kann man auf der Seite der Kronberg Academy (www.kronbergacademy.de/) nachlesen. Ein Jahr nach der ersten CD im Sommer 2019 in Hamburg eingespielt, das Orgelkonzert in St. Johannis-Harvestehude, gelingt erneut eine Darbietung mit Referenzqualitäten (vgl. meine Kritik vom 24.4.2020).

Humor in jedem Detail ernstgenommen

Das Lieblingswerk des Rezensenten aus der Reihe war schon immer die Kammermusik Nr. 5, für Hindemiths ureigenstes Instrument: die Bratsche; der Komponist spielte dann auch 1927 höchstpersönlich die Premiere. Neben einem selten tiefsinnigen langsamen Satz hält dieses Konzert einen echten Kracher als Finale parat: die herrliche Parodie des Bayerischen Defiliermarschs. Und gerade hier zeigt sich Eschenbachs musikalischer Ansatz: Geben die meisten Interpreten dem Affen so richtig Zucker, was dann zwangsläufig – und gewollt – eher in eine genüssliche Zerstörung des unverwüstlichen Marsches mündet (so auch in den Aufnahmen von Chailly und Stenz), unterschlagen Eschenbach und sein Solist Timothy Ridout zwar keineswegs den Humor, legen aber zugleich die enorme kontrapunktische Finesse des Satzes im allen Details offen. Man ergötzt sich also am Material, ohne es – wie Hindemith durchaus in seiner berühmt-berüchtigten Quartett-Bearbeitung der Holländer-Ouvertüre – zu diskreditieren.

Großartig: Das Violinkonzert mit Stephen Waarts

Fast schon ein großes Solokonzert ist die Kammermusik Nr. 4 für Violine. In den fünf Sätzen der Partitur spiegelt sich eigentlich klassische Dreisätzigkeit, da die Sätze 1&2 sowie 4&5 jeweils zusammengehören. Auch ist das Kammerorchester stärker besetzt (24 Spieler), wobei Hindemith auf Geigen verzichtet, was den Solisten umso mehr hervorhebt, selbst im Forte. Das zentrale Nachtstück ist flexibel im Ausdruck, von konzentrierter Innigkeit bis zu ängstlicher Unruhe; großartig nicht nur hier: Stephen Waarts an der Geige. Die Reife des Solisten, jenseits der glänzenden Bewältigung aller technischen Schwierigkeiten, ist offenkundig und seine Interpretation kann sich mit erfahreneren Stars problemlos messen.

Fast schon Raritäten: Kammerkonzerte für Viola d’amore und Orgel

Auf die gleichen Qualitäten trifft der Hörer auch in den beiden letzten Kammermusiken op. 46: Im Rahmen seines erwachten Interesses für historische Aufführungspraxis entdeckte Hindemith Anfang der 1920er die Viola d’amore für sich und bedachte das Instrument dann 1927/29 ebenfalls mit einem Solokonzert der Reihe. Etwas intimer als die vorhergehenden Stücke, benötigt das Werk allerdings auch den insgesamt größten Atem: Die drei kontrastreichen Sätze gehen fast ineinander über. Die junge Chinesin Ziyu Shen schafft das überzeugend und wird – wie alle anderen Solisten – optimal begleitet; hier überwiegend von Bläsern. Die Kammermusik Nr. 7 für Orgel behandelt das Instrument dezenter als andere Gattungsbeiträge. Entstanden für die Einweihung der neuen Orgel des Frankfurter Senders 1928, sollte sie sich an die Möglichkeiten damaliger Live-Übertragungen anpassen – oft schlicht, jedoch immer mit ausdrucksvoller Klangschönheit. Neben dem Solisten kann wiederum die Aufnahmetechnik mit bestechender Durchsichtigkeit begeistern. Eschenbach gelingt es durchgehend, die Musik mit absoluter Selbstverständlichkeit fließen zu lassen, so, als ob gar kein Dirigent nötig sei: ein perfektes Plädoyer für einen nicht zu unterschätzenden Instrumentalzyklus.

Vergleichsaufnahmen: Riccardo Chailly, Royal Concertgebouw Orchestra (Decca 433 816-2, 1990) – Markus Stenz, Ensemble Modern (RCA 09026 61730-2, 1993-94).

Martin Blaumeiser [15.09.2020]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Paul Hindemith
10Kammermusik Nr. 6 op. 46 Nr. 1 für Viola d'amore und Kammerorchester 00:17:37
13Kammermusik Nr. 7 op. 46 Nr. 2 für Orgel und Kammerorchester 00:16:31

Interpreten der Einspielung

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