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Besprechung CD

Andrea Vivanet plays Karol Szymanowski

Piano Works

Naxos 8.551401

1 CD • 64min • 2019

26.09.2019

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

Den jungen, in Paris lebenden italienischen Pianisten Andrea Vivanet kenne ich bereits von einer im vergangenen Jahr erschienenen, hervorragenden CD des kanadischen Labels Centaur, wo er Bartók und Mussorgskys Bilder einer Ausstellung aufgenommen hat – leider ist diese CD in Deutschland bisher nicht veröffentlicht worden. Nun aber kommt Vivanet mit einem Szymanowski-Album bei Naxos, mit der pianistisch so ungeheuer faszinierenden wie diabolisch herausfordernden Musik des bedeutendsten polnischen Komponisten nach Chopin. Karol Szymanowski (1882-1937) hat vor allem das Repertoire der Pianisten und Geiger bereichert, und mit Musikern wie Grzegorz Fitelberg, Artur Rodzinski, Artur Rubinstein oder Pawel Kochanski stellten sich einige der angesehensten polnischen Musiker des 20. Jahrhunderts in den Dienst seiner Musik. Fürs Klavier schrieb er u. a. drei Sonaten, die fantastischen Tondichtungs-Zyklen der Masques und Métopes, die frühen Préludes, zwei Zyklen Etüden, zwei Variationswerke und eine edle Sammlung später Mazurken sowie die konzertante Vierte Symphonie. Andrea Vivanet eröffnet sein Album mit einer Auswahl von fünf Préludes aus Szymanowskis Opus 1 mit erstaunlichem Understatement, wenn man bedenkt, was darauf folgt. Diese Préludes sind von berührend nostalgischer Färbung, sehr intim im Charakter. Darauf folgen die 1900-02 entstanden vier Études op. 4 – zwei davon sind in ihrer entfesselten Virtuosität erkennbar etüdenhaft im besten Sinne, und die zwei getrageneren sind eigentlich üppige, fantasieartige kleine Tondichtungen. Die dann folgenden 12 Études op. 33 von 1916 bilden einen untrennbaren, unveränderbaren Formzusammenhang als ein dem Pianisten alles abfordernder Zyklus. Einen exakter den Buchstaben des Komponisten umsetzenden Gestalter als Vivanet dürfte man kaum finden, und zugleich ist alles erfüllt von einer bewussten Musikalität, wie dies äußerst selten ist. Selbst die kleinsten Nebenstimmen inmitten des figurativen, bassmächtigen Tumults, die raffiniertesten Abschattierungen und Phrasierungs-Subtilitäten aller polyphon involvierten Abläufe, alles ist durchgearbeitet, und nichts läge dabei ferner als akademisches Gebaren. Es wirkt überwältigend spontan, obgleich nichts dem Zufall überlassen ist. Und in allen Stimmen ist Gesang, in den wechselnden Schwerpunktgebungen weitestgehend unabhängig von der Metrik. Andrea Vivanet ist bei aller Clarté der Struktur ein herausragender Klangästhet, doch nie gerät es in die Nähe künstlichen Manierismus’. Eigentlich ein Wunder, wenn man in Betracht zieht, dass auch die ganz großen Namen unter den heutigen Pianisten vor einem solchen Meister, den hierzulande noch fast niemand kennt, den Hut ziehen müssten. Höhepunkt dieses großartigen Albums sind selbstverständlich die drei ‚Maski‘ op. 34 von 1915-16 (unmittelbar vor den 12 Études op. 33 entstanden), die auch eine bezwingend geschlossene Form bilden. Höchste kompositorische Meisterschaft, im Charakter am ehesten mit dem orgiastischen und obsessiven Ravel verwandt, allerdings darin höchst eigenständig, verbindet sich mit olympischer Pianistik. Wer jetzt noch skeptisch ist, hört sich am besten zum Einstieg die Shéhérazade (den mehr als zehnminütigen Kopfsatz der Masken) an. Fesselnder geht es eigentlich nicht. Einzig der Aufnahmeklang könnte etwas weniger nah und direkt sein, also weniger Studio-mäßig und eher Konzertsaal-artig – aber das war wohl nicht die Ansicht des Tontechnikers. Erstrangig auch der kompetent und versiert informierende Booklettext von Florian Schuck, der wieder einmal unter Beweis stellt, dass auch ein aufs Wesentliche konzentrierter Artikel nur so kurz sein muss, wie es der Platz im schmalen Beiheft eben erlaubt. Eine grandiose CD, geradezu ein Vermächtnis. Nun bin ich sehr gespannt, was uns Andrea Vivant als Nächstes präsentieren wird, und hoffe, dass wir ihn schon bald an wichtigen Orten im deutschsprachigen Raum in Konzerten hören wird.

Christoph Schlüren [26.09.2019]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Karol Szymanowski
1Prélude op. 1 Nr. 2 00:02:47
2Prélude op. 1 Nr. 4 00:01:37
3Prélude op. 1 Nr. 6 00:02:13
4Prélude op. 1 Nr. 7 00:02:26
5Prélude op. 1 Nr. 9 00:02:32
6Étude op. 4 Nr. 1 00:03:56
7Étude op. 4 Nr. 2 00:01:52
8Étude op. 4 Nr. 3 00:04:56
9Étude op. 4 Nr. 4 00:03:18
10Étude op. 33 Nr. 1 00:01:09
11Étude op. 33 Nr. 2 00:01:02
12Étude op. 33 Nr. 3 00:00:38
13Étude op. 33 Nr. 4 00:01:04
14Étude op. 33 Nr. 5 00:01:09
15Étude op. 33 Nr. 6 00:00:35
16Étude op. 33 Nr. 7 00:00:50
17Étude op. 33 Nr. 8 00:01:56
18Étude op. 33 Nr. 9 00:01:15
19Étude op. 33 Nr. 10 00:01:07
20Étude op. 33 Nr. 11 00:01:38
21Étude op. 33 Nr. 12 00:01:40
22Shéhérazade op. 34 Nr. 1 (Masques) 00:11:06
23Tantris le bouffon op. 34 Nr. 2 (Masques) 00:06:25
24Sérénade de Don Juan op. 34 Nr. 3 (Masques) 00:06:51

Interpreten der Einspielung

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