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Besprechung CD/SACD stereo/surround

Perspectives 7

Andreas Haefliger

BIS 2307

1 CD/SACD stereo/surround • 1h 27min • 2017

02.07.2018

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Wenn Maurice Ravel Mussorgsys Bilder einer Ausstellung für Orchester arrangiert hat, dann wirkt dies für den Pianisten Andreas Haefliger wie eine Verfilmung eines Buches. Ein fantasievoller Interpret hat doch - ebenso wie ein solcher Leser – längst seine eigenen Bilder im Kopf kreiiert. Eine besondere Gabe, tief zu blicken, spricht auf jeden Fall aus den subjektiven, einfühlsamen und kraftvollen Interpretationen auf seiner neuen Super Audio CD, welche nicht nur mit einer überwältigenden Mussorgsky-Deutung zum Finale begeistern kann.

Haefligers persönlicher Dreh- und Angelpunkt für die Werkauswahl für diesen Tonträger ist ein anderer: Für die siebte Ausgabe seiner „Perspektiven“ benannten Veröffentlichung war es dessen Sonate op. 101, ohne deren Verständnis auch die Erarbeitung der Werke von Alban Berg, Franz Liszt und eben Modest Mussorgsky so nicht denkbar gewesen wäre. Auch der in Berlin lebende Pianist sieht Beethovens Klaviersonaten als ein Lebenswerk, bei dem man nie fertig wird, ihnen auf interpretatorischem Wege Fragen zu stellen.

Alban Bergs Klaviersonate op. 1 kommt wie eine Ouvertüre daher, die in kühler Brillanz und in drängender Zwölftonlogik vorwärts treibt und die Fenster für das Neue, die Zukunft weit öffnet. Wie doppelbödig fortschrittliche und spirituelle Aspekte aufeinander treffen können, demonstriert Andreas Haefliger in Franz Liszts Legende de Saint François d'Assise. Großes Gewicht legt er auf die plastische Ausgestaltung der funkelnden Klangflächen, die fast eine halluzinatorische Wirkung entfalten. Aber diese wird von einer choralartigen Melodie gebrochen, ja durchstoßen und damit ein Klischee-Bild zurecht gerückt: Liszt war eben – und das trifft für diesen Interpreten heute nicht minder zu - nicht nur einfach ein Virtuose im Umgang mit Tönen und Tasten, sondern ein sehr tief Blickender. Das von Haefliger gewählte „geistige Zentrum“ dieser Produktion, nämlich Beethovens A-Dur-Sonate, beginnt erst einmal unspektakulär, ja introvertiert. Die Magie erwächst aus den Noten selbst, ihrem Fluss und Wachstumsprozess im Rahmen einer schier unendlichen Melodie. Ungestüm vorwärtstreibend und mit einer nach oben hin weit offenen Ausdrucksskala treibt der lebhafte Marsch-Satz voran. Und nach einem sehnsuchtsvollen Innehalten im folgenden Adagio eröffnet sich das große allumfassende, vor allem zeit-lose Panorama einer mächtigen Fuge.

Schließlich macht sein Spiel erfahrbar, warum er die Orchesterbearbeitung von Mussorgskys Bildern einer Ausstellung für etwas sekundäres hält, stürzt er sich doch auf die Primärquelle des Notentextes mit imponierender Konsequenz. Vor allem das immer wiederkehrende Motiv der Promenade mutiert und wandelt sich proportional zu wechselnden Seelen- oder Lebenszuständen des Betrachters. Mal lädt es sich zu drängender Wucht auf, um als nächstes wieder verinnerlicht, ja bescheiden in sich zu versinken. Dazwischen modelliert er zuhauf die einschlägigen, mal sinnlich funkelnden, dann wieder mächtig auftrumpfenden imaginären „Bilder“. Man kann gar nicht anders, als immer weiter konzentriert zuzuhören, denn Haefligers Spiel fördert - oft so spannend wie in einem Krimi! - beständig neue, unerwartete Sichtweisen zu Tage. Mal werden scheinbar beiläufige Gegenstimmen herausgestellt, was ganz neue Farbakzente in den Gemälden aufleuchten lässt. Immer wieder erfahren rhythmische Bewegungsmuster, neue, aufregend durch Mark und Bein gehende Zuspitzungen. Was aber alles nie Selbstzweck ist, sondern stets dem Werk dient!

Stefan Pieper [02.07.2018]

Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Alban Berg
1Klaviersonate h-Moll op. 1 00:14:33
Franz Liszt
2Saint François d'Assise S 175 Nr. 1 (La prédication aux oiseaux, Legende) 00:10:39
Ludwig van Beethoven
3Klaviersonate Nr. 28 A-Dur op. 101 00:22:34
Modest Mussorgsky
7Bilder einer Ausstellung 00:38:03

Interpreten der Einspielung

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