Ernst Wilhelm Wolf
Jesu, deine Passion will ich jetzt bedenken
cpo 777 999-2
1 CD • 81min • 2017
10.05.2018
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Ernst Wilhelm Wolf (1735-1792) war ein zu Lebzeiten hochgeschätzter Komponist, der Gelehrsamkeit und musikalische Eingebungskraft zu einer für seine Zeit typische Wirksamkeit verband. Die Hauptstätte seiner Aktivität war Weimar, wo er lange als Hofkapellmeister der kunstsinnigen Herzogin Anna Amalia wirkte. Dass Goethe ihn nicht mochte (eine sehr misslaunige briefliche Erwähnung Wolfs durch Goethe ist überliefert), mag mit Wolfs Selbstbewusstsein und der Qualität seiner Musik zusammenhängen – in der Musik hatte der Olympier einen nicht sehr olympischen Geschmack, wofür die Missachtung von Schuberts Vertonungen seiner Gedichte einen schlagenden Beweis geliefert hat.
Wolfs Passionsoratorium Jesu, deine Passion will ich jetzt bedenken ist ein frühes Werk des Komponisten, er hat es 1756 mit 21 Jahren geschrieben und selbst nie veröffentlicht. Das Stück steht deutlich unter dem Einfluss des ein Jahr zuvor entstandenen Passionsoratoriums Der Tod Jesu von Johann Gottlieb Graun (1703-1771), das nach seiner Komposition schnell und für über hundert Jahre zur einflussreichsten evangelischen Passionsmusik wurde – Wolf selbst war so beeindruckt von Grauns Oratorium, dass er es nach eigenem Eingeständnis auswendig lernte.
Im Unterschied zu den am mit Arien und Chören kommentierten Bibeltext eines Evangelisten orientierten Passionen Bachs handelt es sich bei Grauns Der Tod Jesu wie auch bei Wolfs Jesu, deine Passion will ich jetzt bedenken um Werke, deren Libretti im Sinne der Theologie der Aufklärung das Heilsgeschehen vom Leiden Jesu am Kreuz nachempfindend schildern und die Leiden des Erlösers in emotionaler Weise mit der Sündhaftigkeit des Menschen konfrontieren, ohne die es dieses Erlösungswerks nicht bedurft hätte. Grauns und Wolfs Passionsmusiken tragen die Kennzeichen des „empfindsamen Stils“, der während der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Deutschland hochaktuell war und maßgeblich durch Carl Philipp Emanuel Bach geprägt war.
Michael Alexander Willens, dessen Entdeckergeist etliche Werke des Spätbarocks und der Frühklassik ihre Wiedergeburt verdanken, macht sich auch in diesem Fall um eine zu Unrecht in Vergessenheit geratene Komposition verdient. Mit der vorzüglichen Kölner Akademie, 1996 von Willens gegründet, und einem ausgesprochen gut aufeinander eingestimmten Solistenquartett nebst Chor gelingt eine ausgezeichnete Darstellung dieses Werks, das heutigen Zeitgenossen, die ja wesentlich mit Aufführungen der Passionen J. S. Bachs vertraut sind, in seiner emotionalen Ästhetik genauso neuartig vorkommen mag wie einem von der spätbarocken affektiven Ästhetik geprägten Hörer der 1750er Jahre. Somit wird diese Komposition zu einer echten Neuentdeckung, die auch 250 Jahre nach ihrem Entstehen das durch 50 Jahre der historisch informierten Musizierpraxis geübte Ohr des der Alten Musik zugeneigten Musikfreundes faszinieren kann.
Detmar Huchting [10.05.2018]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Ernst Wilhelm Wolf | ||
1 | Jesu, deine Passion will ich jetzt bedenken (Passionsoratorium) | 01:21:23 |
Interpreten der Einspielung
- Hanna Herfurtner (Sopran)
- Marian Dijkhuizen (Alt)
- Georg Poplutz (Tenor)
- Mauro Borgioni (Bass)
- Die Kölner Akademie (Orchester)
- Michael Alexander Willens (Dirigent)