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Besprechung CD

Bartók

Violin Concertos Nos. 1 & 2

Erato 0190295708078

1 CD • 60min • 2017

11.06.2018

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Die Kopplung der beiden 40 Jahre auseinander liegenden (1907-08 bzw. 1937-38) Violinkonzerte Béla Bartóks ist so naheliegend und auch musikalisch überzeugend, dass man sich sehr wundern müsste, warum sie nicht seit jeher Usus ist – wäre da nicht auf Bartóks eigene Geringschätzung des Stefi Geyer zugeeigneten Frühwerks zurückgehende Vernachlässigung des frühen Konzerts, das auch als Ganzes nicht so weit gediehen ist wie ursprünglich beabsichtigt und nicht nur ein sehr gegensätzlicher Zweisätzer blieb: der Schlusssatz fand etwas umgearbeitet dann Eingang in die ‚Zwei Portraits’, die Bartók als offizielles Werk weiterhin gelten ließ, wodurch das Konzert quasi für ungültig erklärt wurde.

Heute sind wir glücklicherweise über solche Autoritätengläubigkeit ein wenig hinweg gekommen, denn die Klasse und zeitlose Schönheit der Musik spricht für sich selbst, und schließlich wird inzwischen auch Bartóks frühes, gewaltiges Klavierquintett landauf landab gespielt, und kaum jemand käme noch ernsthaft auf die Idee, Bartóks Originalität und Meisterschaft (wenn auch in einer frühen Phase) darin zu leugnen.

Was in den vorliegenden Aufnahmen ganz besonders fasziniert, ist die wache Tätigkeit des strukturbewussten Dirigenten François-Xavier Roth ‚im Hintergrund’ (in welchen die Tontechnik viele seiner Aktionen, den Konventionen der Solokonzert-Aufnahmetradition folgend, verbannt), der das London Symphony Orchestra unermüdlich dazu anhält, möglichst jede Stimme als eigenständig-sanglichen Verlauf zu begreifen und damit unwillkürlich nachverfolgbar zu gestalten: nichts von der chromatisch konturlosen Würzgrütze, die sich breitzumachen viele seiner auch höchst renommierten Kollegen zulassen. Und das heißt doppelte Arbeit, denn mit den Freiheiten des Solisten (seien sie auch meist subtil) muss zugleich in wacher Synchronizität umgegangen werden – was auch sehr überzeugend klappt.

Leider, wie gesagt, macht die Aufnahmetechnik hier zwangsläufig manchen Strich durch die vielleicht ja im echten Raum wunderbar stimmige Balancerechnung, und wie stets kommt so vieles Entscheidende (und das ist eben eine Angelegenheit gerade auch des dynamischen Kräfteverhältnisses) zu abgemildert, konturschwach oder schlicht verdeckt zum Tragen, und anderes trifft hingegen plötzlich höchst unrealistisch unser Ohr (z. B. Harfe oder Holzbläser). Letztlich ist all dies gewiss ein unlösbarer Kompromiss, der nie einen zufriedenstellenden Gesamtklang erzeugen wird, solange das Dogma, dass man jede feine Nuance des Solisten heraushören soll, im Vordergrund der Bemühungen steht.

Und wie spielt Renaud Capuçon? Sehr französisch, mit viel weicher Elastizität und schwärmerischer Tonfülle, natürlich ausgesprochen sauber, erkennt seine Parts und dürfte damit auch live für ein respektgebietendes Erlebnis garantieren. Was die freitonale Harmonik betrifft (die im 2. Konzert natürlich viel elaborierter ist als im 1.), versteht er die harmonischen Zusammenhänge ebenso wenig wie fast alle seiner Kollegen, und der Dirigent hat hier zumindest das klarere Gespür. Aber was soll man groß kritisieren, was sowieso fast niemand zu verstehen vermag… – zumal das große 2. Violinkonzert zu den (nicht nur bezüglich der komplexen Formgebung mit ihren divergierenden Tempi und Texturen, sondern insbesondere auch hinsichtlich der plausiblen Abstimmung Solist-Orchester) am schwersten zu verwirklichenden Werken der gesamten Literatur gehört. Insgesamt also eine sehr gute Deutung der beiden Werke auf der Höhe der Zeit, die zusätzlich von den wachen Sinnen des Dirigenten für die kontrapunktische Faktur profitiert.

Christoph Schlüren [11.06.2018]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Béla Bartók
1Konzert Nr. 1 op. posth. Sz 36 für Violine und Orchester 00:21:39
3Konzert Nr. 2 Sz 112 für Violine und Orchester 00:38:20

Interpreten der Einspielung

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