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Besprechung CD

Beethoven

Piano Sonatas

DG 00289 479 8353

1 CD • 56min • 2016, 2017

27.02.2018

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

Mit diesem Album dringt Murray Perahia, der überragende Bach-, Händel- und Beethoven-Spieler, mit 70 Jahren auf der vollen Höhe seiner künstlerischen Reifung, tiefer denn je in das Mysterium der Beethoven’schen Tonsprache ein. Zwei der außerordentlichsten Werke Beethovens – die Sonata quasi fantasia op. 27 Nr. 2 mit dem populären Titel Mondschein-Sonate und die gigantische und nach wie vor auf schmalstem Grad alles offenlegende Sonate für das Hammerklavier op. 106 – erfahren eine in sich außergewöhnlich stimmige, weitschauende harmonische Strukturation, extreme Transparenz der kontrapunktischen Verflechtungen und improvisatorisch anmutende Fantasie vereinigende Darstellung. Die stets gewahrte Gesanglichkeit, die niemals – auch nicht in mächtigster Klangentfaltung oder den vielen scharf akzentuierenden Synkopen – ins Brutale umschlagende Tonschönheit, die herrlich balancierte Vertikale (die eben auch die bewusste Unausgeglichenheit in Akkorden mit enger Lage in den tiefen Registern einschließt), der nie ins Mechanische kippende raue Biss in den eng verzahnten Sprüngen der Schlussfuge von op. 106, die ohne jede stimmungstrunkene Sentimentalität reich ausgeschöpfte Innigkeit des Kopfsatzes der Mondschein-Sonate – all das ist einerseits titanisch, andererseits unendlich poetisch und in feinster Weise durchartikuliert. Dadurch, dass sich keine alltägliche pianistische Normalität einstellt, sondern alles trotz der durchdringenden Bewusstheit, die die lange Entwicklung stets im Auge hat, ganz spontan, eben oft fast wie improvisiert erscheinen lässt, bekommen die mächtigen Kontraste, das für Beethoven so bezeichnende Widersprechen der natürlichen Tendenz der Phrasierung, einen tieferen, nachhaltig formkonstituierenden Sinn. Er spielt dabei das jenseitige Adagio sostenuto, Herzstück der Hammerklavier-Sonate, etwas fließender, als es angesichts der Fülle des innigen Ausdrucks möglich wäre, wodurch die Musik auch eine Leichtigkeit erhält, die uns weg führt von der vollen Nutzung der Klangmacht des modernen Flügels – alles wird etwas zarter, flüchtiger, und es gelingt ihm in faszinierender Weise, einen durchgehenden Fluss entstehen zu lassen, der uns nirgendwo gebannt stillstehen lässt. Die Musik entsteht und vergeht im selben Moment ohne Unterlass, und es hätte keinen Sinn, an besonders beeindruckenden Stellen verweilen zu wollen. Nie lässt Perahia sich verführen, ins Demonstrative abzugleiten, uns sozusagen didaktisch zeigen zu wollen, was die Musik gerade will. Es wächst auf natürliche Weise aus seinen eigenen, untergründigen harmonischen Kräften heraus, bildet die Kontraste in einer Weise heraus, dass es eben nicht so scheint, als würde der Musiker absichtlich etwas machen – die Musik lenkt ihn, nicht er lenkt die Musik. Das ist Ergebnis hoher Bewusstheit über die dynamischen Gesetzmäßigkeiten des musikalischen Prozesses, die nicht in die Noten hinein geschrieben werden können, sondern sich dem offenbaren, der sich auf die Tatsache, dass alles mit allem verknüpft ist und aus sich selbst heraus ein organisches Ganzes schafft, einlässt, ohne eben schon vorher wissen zu können, was dabei rauskommen soll. Das natürliche Klangbild unterstützt den großartigen Gesamteindruck eminent. Im Booklet führt Jessica Duchen ein Interview mit Perahia, in welchem dieser als Herausgeber des neuen Henle-Urtexts einige sehr aufschlussreiche Dinge zu sagen hat und überraschenderweise für orthodoxe Musikwissenschaft auch mit der Häme bricht, die dem angeblich eindeutig nicht authentischen Titel Mondschein-Sonate seit Generationen entgegen gebracht wird – denn vielleicht war es doch Beethoven selbst, der mit dieser Idee den Kopfsatz schrieb. Das jedenfalls ist viel naheliegender als viele anderen programmatischen Ausdeutungen seiner Musik, die immer wieder in Umlauf sind. Aber derlei Dinge sind lediglich der feine Dekor eines Albums, das mit seiner schieren Substanz nicht nur einfach überzeugt, sondern den Hörer beflügelt und sein Verhältnis zu Beethoven nachhaltig vertiefen kann.

Christoph Schlüren [27.02.2018]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Ludwig van Beethoven
1Klaviersonate Nr. 29 B-Dur op. 106 (Hammerklaviersonate) 00:40:48
5Klaviersonate Nr. 14 cis-Moll op. 27 Nr. 2 00:14:52

Interpreten der Einspielung

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