Frank Peter Zimmermann
Shostakovich
Violin Concertos 1 & 2
BIS 2247
1 CD/SACD stereo/surround • 62min • 2012, 2015
20.12.2016
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Frank Peter Zimmermann, einer der führenden und international erfolgreichsten deutschen Geiger, tritt seit dem Kürzertreten der einstigen Majors vor allem für die nordischen Labels BIS und Ondine auf. Nun legt er mit dem bisherigen NDR-Symphonieorchester, das sich nun nach dem neuen Prachtbau sehr holprig ‚NDR Elbphilharmonie Orchester’ nennt (warum streicht man nicht endlich das Radiokürzel raus?), unter der Leitung des scheidenden Chefdirigenten der New Yorker Philharmoniker, Alan Gilbert, die beiden Violinkonzerte von Dmitri Schostakowitsch vor: technisch meisterhaft, noch auf voller Höhe der Beherrschung, und musikalisch äußerst routiniert und resolut. Das größte Problem der Aufnahme – und das gilt stets bei diesen doch auch teils im Orchester sehr kräftig instrumentierten Passagen, gegen die sich der Solist behaupten soll – ist die Balance, und hier ist wieder einmal ein Beispiel der unbotmäßigen Hervorhebung gegeben, um möglichst jede Nuance des solistischen Vortrags kenntlich zu machen, jedoch um den Preis einer erheblichen Schwächung und teilweise beinahe Unkenntlichmachung der orchestralen Konturen. Ich habe schon elegantere und vor allem natürlicher anmutende Lösungen gehört als die hier vorliegende, doch befriedigend war das Ergebnis noch nie – live im Konzert ist es dann einfach so, dass es Momente gibt, in welchen der Solist schlicht nur noch zu sehen und daher vielleicht ahnungsweise zu hören ist, wo er unweigerlich überdeckt wird. Das ist also vermieden, aber dabei springt eben auch viel lebendiger Dialog und vor allem eventuell vorhandene subtile Begleitung über die Klinge.
Ansonsten gibt es, bei aller instrumentalen Souveränität und auch charakteristischen Färbungsbegabung des Solisten, einige Punkte, die nicht ideal sind. Zum Beispiel das von seiner Seite etwas zu drängende Spiel innerhalb des Haupttempos im Kopfsatz des ersten Konzerts, und überhaupt auch sonst immer wieder die Neigung, ein relativ breites Haupttempo beim Vorwärtsdrängen aus dem Bewusstsein zu verlieren, was zwar Aufregung schafft, jedoch keinen inneren Spannungszuwachs, da der energetische Zusammenhang nicht aufrecht erhalten werden kann. In den schnellen Sätzen ergibt sich diese Problematik so nicht. Das andere, was mich erheblich stört, ist das automatische Betonen von Takteinsen in Kantilenen, wodurch die Musik eine gewisse Schwerfälligkeit erhält, die ihr nicht angemessen ist – aber das passiert natürlich mehr oder weniger den meisten Kollegen auch, weil einfach fast keine Bewusstheit über den Unterschied zwischen kadenzierenden und harmonisch öffnenden Wirkungen und deren Interferenzen da ist. Übrigens kann ich auch bei Gilbert keine Ansätze dazu erkennen, und daher bildet das Orchester zwar einen seriösen, auch bravourösen Widerpart, ist selbstverständlich in den einzelnen Positionen exzellent besetzt, doch von einer spezifischen Formung oder gar Vereinheitlichung des gemeinsamen Ausdrucks kann kaum die Rede sein. Die absolute Grenzwertigkeit eines rasanten Tempos wird am Ende der finalen Burleske des Ersten Violinkonzert ausgekostet, und der Hörer darf fasziniert sein ob solcher frappanten Synchronizität. Eine sehr gute Aufnahme beider Konzerte also, aber auch nicht eine, auf die man auf keinen Fall verzichten kann. An sich wäre das Klangbild sehr gut, wäre da nicht das ungelöste (unlösbare?) Balanceproblem, das eben wohl immer nach der einen oder anderen Seite hin bestehen wird. Das Booklet, das Beiträge von Halina Wiederholz und Harald Hodeige vereint, informiert solide.
Christoph Schlüren [20.12.2016]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Dimitri Schostakowitsch | ||
1 | Violinkonzert Nr. 1 a-Moll op. 77 | 00:31:28 |
5 | Violinkonzert Nr. 2 cis-Moll op. 129 | 00:29:23 |
Interpreten der Einspielung
- Frank Peter Zimmermann (Violine)
- NDR Elbphilharmonie Orchster (Orchester)
- Alan Gilbert (Dirigent)