Arvo Pärt
Da pacem Domine
Ondine ODE 1286-2
1 CD • 73min • 2016
03.11.2016
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Wenn sich zeitgenössische Komponisten über ihren mittlerweile 81jährigen Kollegen Arvo Pärt äußern, tun sie das oft wenig begeistert. Mag da ein gewisser Neid über den unbestreitbaren Erfolg des Esten eine Rolle spielen, so liefert doch dieses Album, randvoll mit geistlicher Chormusik von 1997 bis 2012, genügend Gründe, die Kritik an dem seit langem stagnierenden Schreiben Pärts zu versachlichen. Auf die Selbstbeschreibung Pärts, der seine vielzitierte Stilwende Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre bekanntlich „Tintinnabulation“ nennt: ein von der Statik erklingender Glocken inspiriertes Arbeiten mit Klängen, braucht man da gar nicht zu rekurrieren.
Hört man die insgesamt acht Stücke verschiedener Länge in Folge, vertieft sich der Eindruck stetig, dass die Mittel in einer selbstgewählten Reduktion allzu sehr erstarrt sind, so dass sich das beschränkte Material rasch abnutzt. Praktisch alles ist garantiert homophon gehalten, auch, wenn einmal eine einzelne Stimmgruppe im Vordergrund steht, scheinbar betont schmucklos, aber außer manchmal interessanten, manchmal aber auch recht abgestandenen Klängen gibt es wenig zu hören. Weder stellt der Minimalismus selbst eine Erfahrungsgröße dar, so dass das Immergleiche als solches reflektiert zum Ereignis würde, noch eröffnen sich auch nur zu erahnende Ausblicke auf eine Ausdruckswelt jenseits der mystischen Frömmigkeit. Diese aber teilt sich nicht etwa als suchende, vielleicht auch einmal zweifelnde mit, sondern als merkwürdig und irritierend selbstgewisse.
So sind die Entwicklungen in keiner Weise vermittelt, alles, was erscheint, erscheint auf Effekt getrimmt, bloß auf raunende Wirkung ohne kompositorische Ursache bedacht: Die Dissonanzen in der dritten der Magnificat-Antiphonen von 1988/91 etwa werden bloß beliebig behauptet und münden dann in monumentale Stimmtürmungen Bruckner´schen Zuschnitts, aber geschmäcklerisch geglättet, ohne das religiöse, aber auch emotionale Erschaudern, das der romantische Komponist aus der Vorstellung Gottes bezog und auch kommunizierte. Stimmführungsmäßig handwerklich eher ungeschickt gelöst ist, wie im neuesten der Stücke, Virgencita von 2012, aus der Vielstimmigkeit in die Einstimmigkeit zurückgeführt wird. Und wenn einmal rhythmische Muster auftreten wie etwa in Dopo la vittoria von 1996/98, sind sie eher trivial, geeignet vielleicht zur Meditation, aber nicht zum anspruchsvollen Rezipieren. Vielleicht ist das eben so gewollt. Dann aber ist diese Musik bloß funktional, Mittel zu einem außermusikalischen Zweck.
Wer kein erklärter Anhänger Pärts ist, kann bedauern, dass der exzellente Latvian Radio Choir unter der Leitung Sigvards Klava keine größeren Herausforderungen gestellt bekommt, die er nämlich zweifellos bestens meistern könnte. Die 24 Sänger intonieren auch in der Feinabstimmung mit einem einzigen Atem und fächern eine beeindruckende dynamische Bandbreite auf. Schließlich evoziert Klava eine überirdische Ruhe, welche den wunderbaren Raum der evangelisch-lutherischen St. Johannis-Kirche zu Riga selbst zum Klingen bringt.
Prof. Michael B. Weiß [03.11.2016]
Anzeige
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Arvo Pärt | ||
1 | Triodion (1998) | 00:16:00 |
6 | Sieben Magnificat-Antiphonen | 00:14:10 |
13 | Nunc dimittis | 00:07:45 |
14 | Dopo la vittoria (Piccola Cantata, 1996/1998) | 00:09:20 |
15 | Virgencita | 00:08:11 |
16 | The Woman with the Alabaster Box | 00:05:57 |
17 | Tribute to Caesar | 00:05:31 |
18 | Da pacem Domine | 00:04:24 |
Interpreten der Einspielung
- Latvian Radio Choir (Chor)
- Sigvards Kļava (Dirigent)