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Besprechung CD

Henk Badings

Symphonies 4 & 5

cpo 777 669-2

1 CD • 62min • 2012

26.01.2016

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Spätestens mit dieser Folge in der allmählich entstehenden Anthologie der Sinfonien von Henk Badings sollte auch für Skeptiker kein Zweifel mehr bestehen, dass es sich bei ihm sowohl um einen der bedeutendsten, originellsten und souveränsten holländischen Komponisten des 20. Jahrhunderts als auch um einen der begabtesten, fesselndsten Sinfoniker der klassischen Moderne handelte. Willem Pijper und Matthijs Vermeulen hatten der anspruchsvollen Orchestermusik der Niederlande den Weg in die neue Zeit gebahnt, und Badings (1907-1987) ist, vielseitiger noch als der ebenfalls hochbegabte und leider gnadenlos unterschätzte Hans Henkemans, ihr profiliertester Fortführer in der nächsten Generation. Leider hat sein Ruf stark gelitten, da er während der deutschen Besatzungszeit dem Amsterdamer Konservatorium vorstand und als anerkanntester Vertreter der holländischen Provinz im Reich Erfolge feiern konnte. Dies führte dazu, dass er von Donemus und den anderen wichtigen holländischen Plattenfirmen systematisch vernachlässigt wurde, doch glücklicherweise hat sich Burkhard Schmilgun von cpo für seine Musik erwärmt und sorgt nun dafür, dass sie weltweit eine Renaissance erfahren kann. Wo man ja jetzt auch Paul Graener eine Serie widmet, könnte man darüber nachdenken, ob nicht Max von Schilings, Max Trapp oder Karl Höller mit ihren teils sehr wertvollen Orchesterwerken auch neu zu entdecken wären.

Henk Badings ist hier mit zwei seiner sinfonischen Hauptwerke aus seiner stärksten schöpferischen Zeit zur Diskussion gestellt: mit der im Kriege komponierten Vierten Sinfonie von 1943, die ihn noch klar in der Tradition der erweiterten Tonalität in der Nachfolge Hindemiths zeigt, und mit der 1949 vollendeten Fünften Sinfonie, die zurecht als sein großes Meisterwerk gilt und mit einem stärkeren Eigenton umfängt. Tragik und Humor, Bedrohliches und Besänftigendes, Aufrüttelndes und Träumerisches, Massives und Filigranes sind in dieser Musik in unmittelbarer Gegenüberstellung durchgeführt. Die Themen bzw. Motive sind allesamt klar fasslich und einprägsam, die Beherrschung der freien Harmonik mit ihren würzigen Dissonanzen im Wechselverhältnis zu aufgerautem Wohlklang, des melismatisch sich aus seinen eigenen Triebkräften fortspinnenden, keineswegs scholastischen Kontrapunkts, der reichen, sowohl machtvollen als auch meist sehr transparenten, immer farblich sehr reichen und abwechslungsreichen Orchestration ist frappierend. Auch zeichnet sich Badings durch quicklebendige Rhythmik aus, die sich bei allen neoklassizistischen Querbezügen kaum einmal in mechanischen Stereotypen verfängt, durch einen unbestechlichen Sinn für intensive Stimmungen, und vor allem durch ein überlegenes Gespür für die Geschlossenheit der Form. Lediglich im Finale der Vierten Sinfonie gelingt dies nicht so vollendet, der krasse thematische Gegensatz erfährt hier einmal keine bezwingende Bündelung. Überhaupt sind die Finali vielleicht weniger gelungen, doch ist dasjenige der Fünften so knapp gehalten, dass die Freude daran nicht versiegt, bevor es zu einem durchaus überzeugenden Ende kommt. Die Mittelssätze – sowohl die beiden Largo-Herzstücke als auch die Scherzi – sind über jeden Zweifel erhaben. Badings gehörte zu jenen Meistern, die noch wirklich prickelnde Scherzi schreiben konnten, mit jenem wundervollen Kontrast zwischen rhythmischer Verve und Pfiffigkeit des Hauptteils und Behaglichkeit des Trios. In den langsamen Sätzen singt er sein Innerstes aus, in düsterer Atmosphäre, die sich dann zwischendurch auflichtet und feinen, wie im Flug gleitenden, kammermusikalisch aufgelichteten vielstimmigen Geweben weicht, um zur ursprünglichen Tragik zurückzukehren. Die Kopfsätze sind kraftvoll artikulierte Allegri mit langsamen Einleitungen, die Großes ankündigen, das dann auch spannungsvoll und mit vielen überraschenden Wendungen eingelöst wird. Der Beginn der Fünften Sinfonie hat geradezu etwas untergründig Mystisches. Hier ist wirklich ein Meister am Werk. Die Komprimierung (die Fünfte dauert etwas über 25 Minuten, wogegen die Vierte über 35 Minuten misst) des Geschehens tut der Gesamtwirkung gut, aber auch die Vierte ist sehr wertvoll und fände im Konzertsaal ein dankbares Publikum.

Die Aufführungen der Bochumer Symphoniker unter dem bewährten David Porcelijn sind von Emphase und Feinsinn gezeichnet, soweit die Probenbedingungen ein Eintauchen in diese eigentümlich eklektizistische, zwischen Wildheit, Esprit, Introspektion und ekstatischer Ornamentierung changierende Tonwelt dies zulassen. Dass in der leiseren und lichteren Abschnitten das Aufeinanderhören besser funktioniert als im Tutti-Forte, das oft mehr Balance vertragen würde, ist nicht weiter verwunderlich. Doch muss unterstrichen werden, dass die Tontechnik exzellent ist und uns eine Durchhörbarkeit beschert, von der wir bei älteren Aufnahmen wie der Fünften unter Jean Fournet mit dem Sinfonieorchester der Niederländischen Rundfunks nur träumen konnten. Auch nimmt Porcelijn den langsamen Satz der Fünften Sinfonie wirklich als Largo und lässt ihn sich üppig und weitgehend organisch entfalten, und überhaupt setzt er der temperamentvollen Ruppigkeit seines Vorgängers eine besonnenere, feiner zeichnende Kunst der Darstellung entgegen. Der Booklettext ist ordentlich, und es hätte sich empfohlen, die wechselnden Tempi innerhalb der Sätze genauer auszuweisen. Von diesen Kleinigkeiten abgesehen ein sehr empfehlenswertes Album.

Christoph Schlüren [26.01.2016]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Henk Badings
1Sinfonie Nr. 4 00:35:40
5Sinfonie Nr. 5 00:25:45

Interpreten der Einspielung

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