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Besprechung CD/SACD stereo/surround

cpo 777 746-2

1 CD/SACD stereo/surround • 71min • 2010, 2011,2012

20.04.2015

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 8

Nach dem Zyklus der acht Sinfonien von Ferdinand Ries (1784-1838) vollendet sich nun in der exakt gleichen Konstellation der Protagonisten der Zyklus der zehn Sinfonien vom im gleichen Jahr geborenen Louis Spohr (1784-1859), der freilich ein weit höheres Alter erreichte: Es handelt sich um das Resultat der Zusammenarbeit des Verlags Ries & Erler, der die von Bert Hagels herausgegebenen Spohr-Orchesterwerke auch in käuflichen Studienpartituren vorgelegt hat, des Osnabrücker Labels cpo mit seinem künstlerischen Leiter und Produzenten Burkhard Schmilgun, und des emsigen und stets an Repertoireneuheiten interessierten britischen Kapellmeisters Howard Griffiths, der hier am Pult der NDR-Radiophilharmonie Hannover steht.

Louis Spohr ist einer jener Komponistenpersönlichkeiten, über die die meisten Musikliebhaber immer mal wieder was gelesen, von denen sie jedoch fast noch nichts gehört haben. Seinerzeit war er als Deutschlands bedeutendster Geigenvirtuose und –pädagoge einer der berühmtesten und umworbensten Musiker überhaupt, und nach Beethovens Tod galt er vielen als der größte Komponist der älteren Generation. Es war sein besonderes Bestreben, eine sinfonische Kultur zu schaffen, die dem, was er als Beethovens obsessive Primitivität empfand, eine bessere Alternative entgegenstellte. Spohrs Sinfonien können in ihrem polyphonen Satz und in ihrer filigranen und eminent farbenreichen Orchestration tatsächlich von erlesenster Wirkung sein, wenn es einem Dirigenten vergönnt und gegeben ist, ein Orchester in intensiver Arbeit zu jener Finesse, kammermusikalisch korrespondierenden Intimität und kollektiven Noblesse feinstabgestimmter Tongebung und Phrasierung zu erziehen, die notwendig sind, um diese fragile und empfindliche Musik auf einem Niveau darzubieten, das mit auch höchst professioneller Routine und auf die Schnelle nicht möglich ist. Insofern geschieht auch hier kein Wunder. Die Aufführungen sind solide, gespielt von einem in den Einzelpositionen sehr gut besetzten Orchester, der Dirigent hat die Partitur und das Ensemble unter Kontrolle, doch davon, dass sich die Einmaligkeit des jeweiligen Formprozesse erschlösse, dass das Verhältnis von Spannung und Entspannung in der Phrasierung sowohl der oft melismatisch sich rankenden Melodik als auch insbesondere der Modulationsgänge erlebbar mitvollzogen wäre, dass sich die Kraft des rhythmischen Momentums unwiderstehlich entfalten könnte, kann keine Rede sein. Doch wollen wir nicht mäkeln: Es ist alles sehr genau und auch mit einer gewissen Liebe zum Detail gespielt, es fehlt einfach nur an der größeren Perspektive und auch an der Zeit, um tiefer eindringen zu können. Also vermittelt sich uns eine Oberflächensicht, die hoffentlich anregen möge, sich selbst mit dieser durchaus wertvollen, wenn auch eher selten in ihren stärksten Momenten an Weber, Mendelssohn oder Schumann und gewiss nicht an Beethoven oder Schubert heranreichenden Musik auseinanderzusetzen. Dafür ist die sehr aufwendig aufbereitete, mit umfangreichen kritischen Berichten versehene Neuausgabe der Partituren, die hiermit auch komplett vorliegt, eine perfekte Voraussetzung, und man dem Verlag und seinem unermüdlichen Herausgeber nur dankbar sein, uns diese Früchte zur Verfügung zu stellen. Tatsächlich zählen die Sinfonien Nr. 7 und 9 zu den interessantesten und komplexesten Schöpfungen aus der Feder von Meister Spohr. Die dreisätzige Siebte op. 121 vom Sommer 1841 trägt den Titel „Irdisches und Göttliches im Menschenleben“ und ist für ein Doppelorchester geschrieben (jeweils Holzquartett, 2 Hörner und Streichquintett, jedoch das erste Orchester solistisch, das zweite in den Streichern chorisch und mit je zwei Flöten und Klarinetten). Eine ornamentenreichere Faktur lässt sich zu jener Zeit nicht vorstellen, auch – bei aller traditionsreichen Gediegenheit – ist die Form in sehr origineller Weise gebaut, und hier gilt nichts anderes für die 1849-50 entstandene 9. Sinfonie op. 143 „Die Jahreszeiten“, wo sich Spohr geradezu selbst überbietet in der Evokation von Naturlauten, Vogelzwitschern, klar durchstrukturiertem Stimmungszauber. Leider nimmt Griffiths die langsamen Tempi grundsätzlich zu rasch, und leider neigt er dazu, auch wenn es nicht passt, auf die Schlüsse hin zu verlangsamen, oder, falls es sich um einen geschwinden Kehraus handelt, konventionell theatralisch aufzudonnern. So bleibt die sichere Hand des Routiniers das Hauptmerkmal seines Dirigierens, und die Hoffnung, er möge uns künftig mit überraschenden Feinheiten und einem entwickelteren Sinn für den spezifischen Charakter, großräumige Anlage und weitgespannte Entwicklungen überraschen. Klanglich haben die NDR-Tontechniker Ausgezeichnetes geleistet, was vor allem in der intrikat vielschichtigen Orchestration der Siebten Sinfonie eine außerordentliche Leistung ist. Auch der Einführungstext ist makellos und bietet eine Fülle nützlicher Informationen – kein Wunder, stammt er doch wieder von Bert Hagels, dem Herausgeber der Partitur-Edition, die nun hoffentlich vielerorts Aufführungen zur Folge haben wird.

Christoph Schlüren [20.04.2015]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Louis Spohr
1Sinfonie Nr. 7 C-Dur op. 121 (Irdisches und Göttliches im Menschenleben) 00:33:10
4Sinfonie Nr. 9 h-Moll op. 143 (Die Jahreszeiten) 00:27:27
8Erinnerung an Marienbad op. 89 (Walzer für kleines Orchester) 00:10:06

Interpreten der Einspielung

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