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Besprechung CD

Frank Peter Zimmermann

W.A. Mozart

hänssler CLASSIC 98.039

1 CD • 77min • 2014

01.04.2015

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Drei Jahrzehnte nach seiner ersten Einspielung der Mozart-Violinkonzerte mit dem Heilbronner Kammerorchester unter Jörg Faerber (seinerzeit für EMI) steigt Frank Peter Zimmermann ein zweites Mal in den Ring, diesmal mit dem Kammerorchester des Symphonie-Orchesters des Bayerischen Rundfunks unter Radoslav Szulc für Hänssler Classic. Seit jeher mit einem edlen Ton, makelloser Technik und gesunder Musikalität gesegnet, ist Zimmermann hier deutlich gereift – will sagen, seine Aussage ist persönlicher geworden, denn er weiß genau, was er will, auf der Basis jahrzehntelanger Konzerterfahrung und der Kenntnis vieler großer Aufnahmen der Vergangenheit. Man spürt den unbedingten Willen und zugleich das Vermögen, zu führen, ohne sich selbstbezogen in den Vordergrund zu spielen. Das wird eher ein wenig durch die Tontechnik besorgt, wo er zwar äußerst präsent, klar und resonant rüberkommt, das Orchester hingegen merklich abgeschwächt und vor allem unschärfer konturiert, seltsam weichgezeichnet abgebildet ist.

Zimmermanns Tempi sind glasklar und stets vernünftig dem Gesamtbild des Satzes Rechnung tragend, lediglich in den Finali neigt er dazu, ein bisschen zu viel Gas zu geben (vor allem im D-Dur-Konzert KV 218 mit seinen beiden kontrastierenden Tempi, wo sowohl das Andante grazioso Richtung Allegretto eilt – und erst breiter wird, als das Bordun einsetzt – als auch im Allegro der Zusatz „ma non troppo“ nicht beachtet wird. Dafür fasziniert er in diesen vorwärtstreibenden Passagen mit einem geradezu draufgängerischen Impetus, dem man die Risikofreude eines junggebliebenen abgeklärten Meisters, der mit allen Wassern gewaschen ist und seine Ideale nicht vergessen hat, auf Schritt und Tritt anmerkt. Bei aller Planmäßigkeit der Darstellung liebt er die spontane, unverbrauchte Wirkung und vermag sie jederzeit überraschend einzusetzen. Auch wenn das Orchester manchmal im Anfangstutti noch nicht ganz zwingend das Tempo überträgt, ist die Sache jedes Mal mit Zimmermanns Einsatz schlagartig ganz eindeutig und bezwingend.

Was sofort einnimmt, ist die Natürlichkeit und kultivierte Spielfreude von Zimmermanns Vortrag. So gelingt ihm ein Satz von solch köstlicher, ins Volkstümliche hinüberreichender Einfachheit wie das Rondo C-Dur KV 373 ganz besonders gut, aber auch mit aller Brillanz die forsch figurierenden Ecksätze des 1. Violinkonzert in B-Dur, wo lediglich die Solokadenz im Kopfsatz zu lang geraten ist. Von wem all’ diese interessanten, geigerisch dankbaren und sehr ungewöhnlich gebauten Kadenzen wohl sind? Leider gibt der ansonsten gut informierende Begleittext darüber keine Auskunft.

[Die Redaktion hat nachgefragt: Die Kadenzen von KV 207 stammen sämtlich von Konstantin Mostrass; die von KV 216 und KV 261 sind von Franz Beyer; für die von KV 218 ist komplett Joseph Joachim verantwortlich; nur die Herkunft der Kadenz in KV 373 ist nicht auszumachen.]

Ganz besonders erfreulich ist, dass Frank Peter Zimmermann sich nicht von der herrschenden Mode anstecken lässt, überhetzte Tempi in den Kopfsätzen und viel zu unruhige Tempi in den langsamen Mittelsätzen zu nehmen. Nein, das wunderbare Adagio im G-Dur-Konzert ist herrlich ausgesungen und hat alle Zeit der Welt, wie auch das alleinstehende E-Dur-Adagio, das entstand, weil Herr Brunetti mit dem originalen Adagio des A-Dur-Konzerts nichts anzufangen wusste. Hier versteht es Zimmermann, Mozarts Himmel zu öffnen. Und lebendig ausdrucksvoll, ohne je ins Sentimentale zu rutschen, ist sein Spiel ohnehin immer.

Das Orchester unter Radoslaw Szulc agiert technisch makellos und passt sich überall mit flexibler Geschmeidigkeit an. Einige Kleinigkeiten habe ich als befremdlich empfunden: ein paar redundante Betonungen, einige von Mozart nicht vorgegebene Echo-Effekte bei wiederholten Phrasen, immer wieder meist im Orchester verkürzte Notenwerte auf der schwachen Zeit oder an Phrasenenden, die fragliche Interpretation der Keile als Staccato. Das fällt allerdings wirklich nicht ins Gewicht angesichts der herausragenden Leistung des Solisten, von dem wir nun als Nächstes wohl die Konzerte Nr. 2 und 5 erwarten dürfen. Die volle Punktzahl ist denn auch für die solistische Qualität vergeben, das Orchester wäre knapp drunter geblieben.

Oliver Fraenzke [01.04.2015]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Wolfgang Amadeus Mozart
1Violinkonzert Nr. 1 B-Dur KV 207 00:20:34
4Adagio E-Dur KV 261 00:06:48
5Rondo C-Dur KV 373 00:05:24
6Concerto No. 3 G major KV 216 for Violin and Orchestra 00:22:16
9Violinkonzert Nr. 4 D-Dur KV 218 00:21:45

Interpreten der Einspielung

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