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Besprechung CD

Classicclips CLCL 129

1 CD • 75min • 2014

29.01.2015

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

Als Anhänger der historisch informierten Aufführungspraxis und Bewunderer solcher Künstler wie Christopher Hogwood und Sigiswald Kuijken bekennt der Rezensent über alle (vielleicht oft künstlich aufgerichteten) Grenzen und liebgewonnenen Klangbilder hinweg, dass dieser mit modernem Instrumentarium musizierten Aufnahme höchstes Lob gebührt! Nachdem der „Knalleffekt“ einer Kritik, das fällige Resümee, nunmehr als Salutschuss verklungen ist, gilt es, Begründungen zu liefern.

„Der Bach“ – mit ihrem beziehungsreichen Untertitel spielt diese CD darauf an, dass man zu seinen Lebzeiten Carl Philipp Emanuel Bach meinte, wenn man einfach nur „Bach“ sagte, die anderen Mitglieder der Komponistendynastie wurden näher qualifiziert: so Johann Sebastian als „der alte Bach“, Christoph Friedrich als „Bückeburger Bach“, Johann Christian „Mailänder“ oder „Londoner Bach. „Wer mich gründlich kennt, der muss finden, dass ich dem Emanuel Bach sehr vieles verdanke, dass ich ihn verstanden und fleißig studiert habe.“ bekannte Haydn, und Mozart äußerte anlässlich seines Todes: „Er ist der Vater, wir sind die Buben.“ Der Bedeutung des Berliner bzw. Hamburger Bach wird hier also von Anfang an gedacht – eine zu seinem 300. Geburtsjahr fällige Reverenz, die allerdings eine hohe Latte für den Anspruch an die Interpretation auflegt.

Carl Philipp Emanuel Bachs drei Cellokonzerte sind am Anfang der 1750er Jahre entstanden, als Flöten- oder Cembalokonzerte existieren sie auch noch in Versionen mit anderen Soloinstrumenten. Das mindert die Individualität des jeweiligen solistischen Auftritts freilich nicht, wie ein Vergleich von Wq 170 und 171 mit den entsprechenden Flötenkonzerten Wq 166/167 und von Wq 172 mit dem Clavirkonzert Wq 29 zeigt. Man träumt gern davon, Friedrich der Große habe in seinen Musizierstunden die Flötenkonzerte seines Hofcembalisten gespielt. Das ist freilich nicht sehr wahrscheinlich, selbst wenn die virtuosen Qualitäten des Monarchen dafür ausgereicht hätten; Friedrich neigte einem moderat altmodischen galanten Musikgeschmack zu, dem die Kompositionen seines Bach mit ihren komplizierten Bezügen auf die Vergangenheit und den gelehrten Stil seines Vaters ebenso wenig entsprachen wie ihr ausgeprägt individuelles Gepräge im Zuge der musikalischen Empfindsamkeit, als deren Kirchenvater Carl Philipp Emanuel Bach gilt. Die geistige Breite Carl Philipp Emanuel Bachs lässt sich am dramaturgischen Aufbau des Konzerts in a-Moll Wq 170 bzw. 166 gut nachvollziehen: Einem leidenschaftlich geführten Dialog zwischen Solo und Tutti folgt ein graziles (dabei von empfindsamen „Doppelbödigkeiten“ keinesfalls freies) Andante im Gestus des Menuetts, bevor ein kraftvolles Allegro assai das Stück in gelöster Stimmung beschließt.

Konstantin Manaev wurde 1983 im russischen Ekaterinburg geboren und kam nach anfänglicher Ausbildung am Moskauer Konservatorium nach Deutschland an die Hochschulen Münster und Dresden. Er schloss das Cellostudium in Basel bei Ivan Monighetti ab. Zahlreiche Wettbewerbspreise kennzeichnen seinen Weg einer außerordentlichen musikalischen Begabung, jetzt darf sich Manaev zu den Meistern seines Fachs rechnen – mit welchem guten Recht, zeigt nicht zuletzt die souveräne künstlerische Leistung dieser CD. Ein vorzüglicher Partner ist ihm dabei die Berliner Camerata, deren Musiker aus aller Welt stammen und die sich 2009 zur Gründung ihres Ensembles um die Geigerin Olga Pak geschart haben: Die in Berlin lebende Künstlerin hat selbst als in Nowosibirsk geborenes Kind koreanischer Eltern und mit ihrer Ausbildung in ihrer Heimatstadt, am Versailler Konservatorium und an der Universität der Künste Berlin einen weit gespannten Horizont.

Manaev und die Berliner Camerata haben sich für eine solistische Besetzung dieser Aufnahme entschieden – das verleiht dem Zusammenspiel von Solisten und Ensemble eine kammermusikalische Intimität, in der sich sowohl die Struktur der Musik Bachs wie auch die Leidenschaftlichkeit und ihr melodischer Fluss besonders gut entfalten können. Einen ausgeprägten Akzent setzen die Kadenzen, die Manaev bei der usbekischen Komponistin Aziza Sadikova in Auftrag gegeben hat: In teilweise ausgedehnter Länge nehmen sie fast den Charakter freier Fantasien über die Themen des Satzes ein, den sie begleiten. Überaus beeindruckend ist dies in den dreieinhalb Minuten ihrer Kadenz zum zweiten Satz Largo con sordini, mesto des Konzerts in a-Moll Wq 172 der Fall: Sadikova liefert tiefgründige und eigenständige Kommentare zu einem alten Meister der Musik, sie wirft gewissermaßen einen Blick in einen Brunnen, aus dem bis zum heutigen Tage zu schöpfen ist.

Manaev und die Berliner Camerata bestechen durch Tonschönheit und reflektierte Musizierfreude, sehr lobenswert ist bei allem Temperament ihrer Deutung der Verzicht darauf, ihr Heil an den äußeren Enden der Skalen der Gestaltungsparameter zu suchen, was das Vergnügen an manchen Hervorbringungen verschiedener sich historisch informiert gebender Ensembles gelegentlich schmälert. Sie zeigen sich als über alle Aspekte dieser Stücke bestens informierte Interpreten, die sich in ihrer Musizierfreude nicht einschränken lassen – Qualitäten, die auch den besten Erzeugnissen der historisch informierten Aufführungspraxis zueigen sind. So ist zu resümieren, dass den Musikern und der beteiligten Komponistin hier ein bemerkenswertes Huldigungsporträt eines der wichtigsten musikalischen Jubilare des Jahres 2014 gelungen ist: Sie haben Carl Philipp Emanuel Bach, um Joseph Haydns Worte aufzugreifen, „verstanden und fleißig studiert“!

Detmar Huchting [29.01.2015]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Carl Philipp Emanuel Bach
1Konzert A-Dur Wq 172 für Violoncello und Orchester 00:22:47
4Konzert a-Moll Wq 170 für Violoncello und Streicher 00:27:23
7Concerto per il Violoncello B flat major Wq 171 00:24:38

Interpreten der Einspielung

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