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Besprechung CD

cpo 777 755-2

2 CD • 1h 43min • 2013

30.07.2014

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Eigentlich muss man die zunehmend um sich greifende Mode, selbst spätromantische Musik nur mit äußerst sparsamem Vibrato zu spielen oder zu singen, quasi im Stile Alter Musik, als anachronistisch kritisieren: Abgesehen davon, dass diese Reduzierung historisch nicht zu belegen ist, wird da häufig recht sorglos ein vielschichtiger Orchester- oder auch Chorklang verschenkt, der innerhalb der traditionsreichen Ensembles über Generationen hinweg organisch gewachsen ist. Für die hier vorgestellten zwei größeren oratorischen Werke Heinrich von Herzogenbergs jedoch ergibt die gewisse klangliche Zurückhaltung zu welcher der Chordirigent Matthias Beckert seinen Monteverdichor Würzburg und die Thüringen Philharmonie Gotha anhält, durchaus Sinn: Hat sich der österreichische Komponist (1843 – 1900) doch in diesen späten Werken nicht nur von seinem langjährigen älteren Freund Johannes Brahms, sondern hörbar auch von der alten Vokalkunst Bachs und nicht zuletzt auch Heinrich Schütz´ anregen lassen. Herzogenberg war mit den Gebrüdern Spitta eng befreundet, die ihn – besonders der früh verstorbene Bach-Forscher Philipp – auch musikalisch berieten. Man darf nicht vergessen, dass Herzogenbergs Generation die ersten Ausgaben etwa der Bach´schen Kantaten, aber auch der Vokalwerke Schütz´ erlebte, welche u. a. auch von Philipp Spitta herausgegeben wurden.

So siedeln sich diese gewichtigen Werke für Soli, Chor und Orchester, kompositorisch versiert und durchaus einfallsreich ausgestaltet, zwischen der barocken Vokalkunst und Brahms´ Musiksprache an, über die sie nicht hinausgehen. Herzogenberg hält sich gegenüber dem harmonisch kühneren Brahms sogar meist zurück, zeigt aber etwa in der Kantate Totenfeier op. 80 von 1894 ein besonderes Talent für Dramaturgie, wenn er etwa den Chor zunächst in einem machtvollen Unisono einsetzen läßt und erst später mehrstimmig, schließlich polyphon ausdifferenziert und so eine Entwicklung hin zur finalen Aufhellung durchmacht, welche der – wie immer bei cpo – umfangreiche und informierte Begleittext treffend als quasi therapeutische „Trauerarbeit“ beschreibt. In dem von Jens Hamann kraftvoll intonierten Baßsolo etwa läßt sich studieren, was Herzogenberg von Bach lernte und wie er diese Anregungen in Form von kühnen und expressiven Melismen weiterentwickelte; überhaupt ist das Solistenquartett mit Franziska Bobe, Barbara Bräckelmann und Maximilian Argmann hochkarätig besetzt. Es sind Sänger, die auch dem Habitus nach gemäß heutigen Standards Schütz singen können.

Auch das Requiem op. 72 von 1891 lohnt das Kennenlernen; es erinnert als eine sehr sanfte Totenmesse eher an die Haltung von Faurés Vertonung als an Brahms´ Requiem, in welchem es ja durchaus triumphierende Momente gibt. In der kleinen Motette „Begräbnisgesang“ op. 88 zum Tode Spittas 1894 ist aber ein Brahms´sches melodisches Motiv nicht zu überhören.

Der von Beckert geleitete Monteverdichor Würzburg tritt als exzellenter, sehr dicht und kontrolliert geführter Klangkörper in Erscheinung, der in allen Registern ausgeglichen ist und darüber hinaus sehr jugendlich klingt. Zusammen mit der, wie beschrieben, zur klanglichen Bescheidung ermahnten Thüringen Philharmonie Gotha, werden Herzogenbergs späte Werke in ein reizvoll abgeklärtes Licht, eine etwas nazarenerhaft anmutende Stimmung getaucht – was gut zu diesen Stücken paßt. Was das Orchester freilich unter einem zupackenden Dirigenten für einen Effekt entwickeln könnte, läßt sich am ehesten an den schönen Bläsersoli erahnen.

Prof. Michael B. Weiß [30.07.2014]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Heinrich von Herzogenberg
1Totenfeier op. 80 00:43:31
10Begräbnisgesang op. 88 für Tenor, Männerchor und Bläser 00:05:07
CD/SACD 2
1Requiem op. 72 00:54:07

Interpreten der Einspielung

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