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Besprechung CD/SACD stereo

Fantasy

Danae Dörken

Ars Produktion ARS 38 150

1 CD/SACD stereo • 73min • 2014

30.06.2014

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

Im Dezember 2012 erschien mit Werken von Janácek die ARS-Debüt-CD der aus Wuppertal stammenden, in Kürze 23jährigen Pianistin Danae Dörken. Diese Veröffentlichung ist mir entgangen, so dass ich an dieser Stelle – und dies mit Freuden – zumindest aus ganz persönlicher Hinsicht über eine Debüt-(SA)CD berichten darf.

Die junge Dame, die nach Studien bei Karl-Heinz Kämmerling zurzeit ihre Ausbildung bei Lars Vogt fortsetzt, lässt mit den ersten in der linken Hand rumorenden Tonwirbeln aufhorchen, weil schon dieser Beginn bewusst, das heißt: in Sorge um ein eröffnendes Klima gesetzt wirkt. Auf diese Weise kann die bald geschmeidige, bald gezackte Melodiekurve erhellend eingefädelt, bzw. harmonisch unterfüttert werden. Von da an gelingt es Danae Dörken, einen spürbar kalkulierten, also sinngebend einstudierten, aber darüber hinaus stets elastischen Satzverlauf zu entfalten. An den rezitativischen Haltepunkten bewahrt sie die hochromantische Klavierszenerie vor jenem Stillstand, der aus der Sicht nicht weniger Interpreten unverzichtbar für den Nachweis verantwortungsvollen Dosierens ist. Es fügt sich also das Eine zum Anderen und das Gewesene scheint rückwirkend unerlässlich für das gerade Geschehende und weiter auch für das Kommende zu sein. Natürlich gibt es Pianisten älterer und frühester Schulen, die diesen Fantasiesatz noch leidenschaftlicher, in seinen dynamischen und mobilen Abmessungen noch entschiedener – mitunter geradezu gewalttätig – anpacken. Aber eine Partitur wie diese lädt ja geradezu zur eigenen, von Vorbildern unbhellgten, jederzeit auch revidierbaren momentanen Wahrheitsfindung ein. Im zweiten Satz bekennt sich Danae Dörken weiterhin zu einer Handhabe maßvollen Krafteinsatzes. Dadurch verleiht sie dem von Schumann eher derb pointierten Material eine Note in Richtung guten pianistischen Benehmens – eine Haltung, die auch für die riskanten Sprungkombinationen maßgebend bleibt. Während Marc-André Hamelin in seiner Hyperion-Einspielung zum siegreichen, fehlerlosen Tastenspurt ansetzt, während etwa Alexis Weissenberg (EMI) die weiten Intervalle schonungslos herausmeißelt, betont Danae Dörken – so will mir scheinen – die integrativen Kräfte dieser Episode, bindet sie ein und verzichtet somit auf jede sportliche Wirkung.

Es kann im Folgenden kaum überraschen, dass sich unter diesen dramaturgischen Umständen die expressive Kluft zum dritten Satz als weniger tief und krass erweist. „Langsam getragen“ wünscht Schumann diesen melodisch-harmonisch in Stufenschritten formulierten Abgesang zu spielen. Der Zusatz „Durchweg leise zu halten“ darf freilich nicht ganz wörtlich genommen werden. Er gilt für die lyrische Ausgangssituation, deren Zuspitzungen den Pianisten jedoch mehrmals zu dramatischen Wallungen und heftigen „Ausrufen“ auch in dynamischen Grenzbereichen zwingen.

Die Kombination der Schumann-Fantasie mit der Wanderer-Fantasie ist eine programmatisch tragfähige Entscheidung. Sie erlaubt einer intelligenten und technisch souveränen Klavierdarstellerin auf verschiedenste Weise Farbe zu bekennen, wobei sie sich im Klaren sein muss, wie enthusiastisch dieses Literaturfeld in den letzten mehr als 100 Jahren diskographisch bestellt worden ist. Unter diesem Blickwinkel bestätigt Danae Dörkens Berücksichtigung einer Carl Philipp Emanuel Bach-Fantasie nicht nur aufmerksame Jubiläumstaktik, sondern – wie ich denke – auch eine gehörige Portion an Aufmerksamkeit und Interesse am weiten historischen Feld „Klavierfantasie“ über die favorisierten Standardwerke hinaus.

Die von ihr gewählte, mit fast 15 Minuten Aufführungsdauer ungewöhnlich umfangreiche fis-Moll-Fantasie (Wq 66, bzw. H 300) aus dem Jahr 1787 ist unzweifelhaft eines der kühnsten Stücke des im März 1714 in Weimar (!) geborenen Bach-Sohnes! Allen Kriterien gehobener Ergötzung zuwider tönend, gelegentlich schon im Vorgriff auf den Expressionismus schreiend und ächzend, sofern man sich die geschmacklichen Vorbehalte einer an Normalästhetik orientierten Gesellschaft in Erinnerung ruft. Die Ecken, Kanten dieser Quasi-Improvisation, ihre Sturzbach ähnlichen Skalen – kurzum: alles, was dem jüngeren Bach gerade einfiel und was er sich zu Papier bringen auch getraute, das bleibt unter den tastenden, forschenden und flinken Händen von Danae Dörken nicht unerwähnt. Ihrer Kollegin Ana-Marija Markovina ist sie in den Bereichen Anschaulichkeit der Texterklärung und Lebendigkeit der pianistischen Argumentation deutlich überlegen. Indes: wer sollte es der fleißigen, mutigen Bulgarin verdenken, wenn sie sich im Zuge einer kapitalen Gesamtaufnahme aller Klavierwerke Carl Philipp Emanuels nicht jeder Aufgabe mit einer Intensität gewidmet hat, die einem so genannten Einzeltäter allenfalls im aufführungspraktischen Glücksfall erreichbar ist.

Die im Umfeld der Schumann-Fantasie aus meiner Sicht formulierten Beobachtungen, was die grundsätzlichen pianistischen und ideellen Möglichkeiten der Interpretin anbelangt, dürfen auch für den Vortrag und die Deutung der Wanderer-Fantasie geltend gemacht werden. Dörken lässt die Akkordserien der Eröffnung klingen, verbeißt sich nicht in das Stück, wie so viele von Ehrgeiz geplagte Wettbewerbspassanten. Die Lied-Variationen enden mit schönen, glitzernden Skalen, das an Webers „Wolfsschlucht“-Klima gemahnende Tremolo erfährt in Aufnahmen wie etwa mit Sviatoslav Richter stärkere Beachtung (EMI). Den anstrengenden, technisch äußerst schwierigen Finalsatz bewältigt und beendet sie mit Ausdauer, sozusagen erhobenen Hauptes in den Strudeln und Kaskaden bizarrer Akkordzerlegungen.

Vergleichseinspielungen: C. Ph. E. Bach: Fantasie fis-Moll Wq 67 H 300: Lubimov (ECM 461812-2), Tsuruta (Naxos 8.551235),Staier (Deutsche Harmonia Mundi RD 77025), Fuller (Gramola 98915), Markovina (Hänssler 98.003)

Peter Cossé † [30.06.2014]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Robert Schumann
1Fantasie C-Dur op. 17 00:34:21
Carl Philipp Emanuel Bach
4Fantasie fis-Moll Wq 80 H 536 00:14:45
Franz Schubert
5Fantasie C-Dur op. 15 D 760 (Wandererfantasie) 00:23:17

Interpreten der Einspielung

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