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Besprechung CD

Beethoven Piano Sonatas

Ondine ODE 1248-2D

2 CD • 2h 24min • 2011, 2012

31.03.2014

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 7
Klangqualität:
Klangqualität: 8
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 7

In den biographischen Notizen dieser Ondine-Edition ist in englischer Sprache zu lesen, dass der 40jährige finnische Pianist Paavali Jumppanen oft die Sammlungen aller Beethoven- und Mozart-Sonaten vorgetragen hat. Vielleicht bereits zu oft, wage ich in bewusster Überspitzung nach der Hörlektüre der fünf von Jumppanen eingespielten Beethoven-Kapitel anzumerken. Natürlich wird es niemals genug sein, sich auf diese Schlüsselwerken, von denen jedes Einzelne ein völlig anderes „Gesicht“ zeigt, wieder und wieder einzulassen. Jumppanens Klavierbeziehung indes wirkt in vielen, ja allzu vielen Satzteilen unbekümmert oder auch uninteressiert an den emotionalen und strukturellen, bzw. expressiven Vorlagen der gerade gewählten Partitur (und damit auch an Beethovens zumeist äußerst klaren Vortragsbezeichnungen einzelner Werkabschnitte).

Für diese beiden CDs hat der u.a. in Basel von Krystian Zimerman betreute Pianist ein Programm sozsuagen unter dem Motto „Beethoven früh und spät“ gewählt, wobei die drei Sonaten op. 2 und die beiden Nummern op. 101 und op. 106 in vielen Details jeweils auch Momente der zurückliegenden, bzw. der noch in ferner Zukunft liegenden Periode anklingen lassen. Zukunftsmusik – wenn man will – in den wagemutigen, weit über den Zeitgeschmack und Zeitstil hinausschießende Momente etwa in der quasi konzertanten C-Dur-Sonate op. 2,3! Retrospektive Episoden in manchen knorrig-mobilen Passagen der A-Dur-Sonate, die wundersam, aber auch keck aus einer unvergleichlichen Melange aus klassischer Zurückhaltung und romantischer Schwärmerei herausstechen. Juimppanen geht auf solche Pendelausschläge der Beethovenschen Ausdrucksmotorik nur selten ein. Besonders schmerzvoll wirkt sich dieses Aufmerksamkeitsdefizit und die daraus resultierend bescheidene musikalischen Willensbildung in den drei bewegten Sätzen der C-Dur-Sonate op. 3,2 aus. Schon das knappe, in seiner ersten Erscheinungsform recht unbequem zu spielende Terzenmotiv wirkt flüchtig, wie „beiseite geschleudert“. Noch enttäuschender aber die im Folgenden kraftvoll und eindeutig akzentuiert gedachten, nach oben strebenden Dreiklangszerlegungen, denen Jumppanen mit hohem Tempo zwar Richtung verleiht, es aber an Deutlichkeit der Einzeltöne ebenso wie einzelner Passagenpartikel fehlen lässt. So entwickelt sich ein hurtiges, klanglich besonders im Piano und Mezzoforte etwas dünnhäutiges Allegro con brio-Dahin, das den Vergleich zu so kantigen, im rechten Moment auch jubelnden, im Seitenthema silbern kitzelnden Darstellungen wie jenen mit Sviatoslav Richter, Alfred Brendel, András Schiff oder auch dem schwerblütigeren Claudio Arrau nicht einmal annähernd standhält.

Völlig verfehlt in der überstürzten, verwackelten Bewegung macht Jumppanen das Scherzo geradezu unkenntlich. Verrutschte Linien, lieblose Hetze im Trio-Teil! Für die „ Allegro assai“ –Akkordstaffeln des Finalsatzes verfügt er über einen lockeren Bewegungsapparat, aber schon die anschließenden Kreiselbewegungen der rechten Hand kommen bedrohlich zusammengequetscht, allenfalls versuchsweise brilliant und durchsichtig über die Tastatur gestreut.

Im erwähnten Informationsmaterial erfährt man, dass Jumppanen mit Komponistenpersönlichkeiten wie Pierre Boulez und Henri Dutilleux zusammen gearbeitet hat. Keine schlechte Ausgangsituation für die erfolgreiche Reise eines international tätigen Interpreten, der sich bei seinem „deutenden“ Bemühen auch auf die Kenntnisse der Musikherstellung stützen kann. Von solchen Erkundungen und Einsichten scheint mir Jumppanens Auseinandersetzung mit der Hammerklaviersonaten zu zeugen. Hier sind die majestätischen Akkordfanfaren des Kopfsatzes zuverlässig vom schönen, aus der Tiefe bis hoch in den Diskant führenden Verwirrspiel gleichsam zwischen Himmel und Erde abgehoben. Aber Jumppanen bleibt vor allem den leisen Werten, den indirekten Beleuchtungen, dem Singenden und Vielsagenden eine wirklich fesselnde Ausprägung schuldig – ein Mangel, der sich auch auf die Spannungs- und Wirkungsdramaturgie aller hier versammelten langsamen Sätze wertmindernd auswirkt. So bleibt vor allem das kapitale „Adagio sostenuto“ der Sonate op. 106 ein argloses Spiel mit pianistischen Modulen, weit entfernt von aller schmerzlichen Innigkeit und eines stockend-fragenden Pulsschlags, mit dem Pianisten wie Wilhelm Kempff, Claudio Arrau, Arthur Schnabel, Edwin Fischer, Sviatoslav Richter oder jüngst auch Igor Levit in seiner brisanten, forschend-wissenden Sony-Einspielung.

Im Begleitheft beschränkt sich der Produzent auf Texte in englisch und finnisch – der deutsche Kunde muss sich damit zufrieden geben.

Vergleichsaufnahmen: Opp. 2,101 und 106: Kempff (1952-1956 DG 447 966-2), Arrau (Philips 432 301-2), Brendel (1992-96 Philips 446 909-2); Op. 2: A. Schiff (ECM 4763054); Op. 106: Gilels (DG 410 527-1; Moskau 26.1.1984 Melodya/BMG 74321 40116 2), Serkin (Sony SBK 47666), Levit (Sony 88883703873), Sokolov (Mobile fidelity MFCD 922), Solomon (EMI CHS 7 64708 2), Schnabel (Pearl GEMM CDS 9142), Alfred Brendel (Philips 446 922-2),

Peter Cossé † [31.03.2014]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Ludwig van Beethoven
1Klaviersonate Nr. 1 f-Moll op. 2 Nr. 1 00:22:14
5Klaviersonate Nr. 2 A-Dur op. 2 Nr. 2 00:28:24
9Klaviersonate Nr. 3 C-Dur op. 2 Nr. 3 00:25:29
CD/SACD 2
1Klaviersonate Nr. 28 A-Dur op. 101 00:20:51
5Klaviersonate Nr. 29 B-Dur op. 106 (Hammerklaviersonate) 00:46:12

Interpreten der Einspielung

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