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Besprechung CD

cpo 777 758-2

1 CD • 78min • 2012

16.07.2013

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 7
Klangqualität:
Klangqualität: 7
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Gemäßigt und akademisch zwischen Beethoven und Brahms: So könnte man Friedrich Gernsheims (1839 – 1916) ästhetische Position und Stellung innerhalb der Musikgeschichte kurz charakterisieren. Sein beachtliches Œuvre, das übrigens zu Teilen in Form gedruckter Partituren, teils sogar faksimilierter Manuskripte auf www.imslp.org verfügbar ist, gibt ein hochinteressantes Beispiel für ein handwerklich sattelfestes, emotional gefestigtes und nicht zuletzt inspiriertes Schreiben nach Beethoven und Schumann und zeitgleich – und in Freundschaft – zu Brahms. Zwar wird Brahms' Sinfonik durch Gernsheims vier Sinfonien nicht relativiert, doch Gernsheim, der in Worms in eine alte jüdische Musikerfamilie hineingeboren wurde, braucht sich auch nicht vor dessen Spitzenwerken zu verstecken. Dass er schon kurz nach seinem Tod fast vollständig vergessen wurde – die kulturpolitische Dummheit der Nazis hatte dabei noch mitgeholfen –, ist ungerecht; zwar muß man nicht so weit gehen, regelmäßige Aufführungen seiner sinfonischen Werke zu fordern, doch die Werke des Moscheles-Schülers und Lehrers Humperdincks sind gut gemacht und stecken voller Einfälle.

Zu den bleibenden Eindrücken der 1. Sinfonie g-Moll op. 32, die 1875 in Rotterdam uraufgeführt wurde, gehört etwa das stimmungsvoll raunende Unisono-Hauptthema, dessen breite Werte zunächst ein langsames Zeitmaß zu suggerieren scheinen, bevor geschickt der Allegro-moderato-Gestus enthüllt wird. Wenn das Larghetto vielleicht ein wenig betulich geraten ist, machen die rhythmisch explosiven letzten Sätze, Scherzo und Finale, den leichten Spannungsabfall wieder wett. Die hier vorgelegte 3. Sinfonie c-Moll op. 54, uraufgeführt 1888 wiederum in Rotterdam, welche sich programmatisch der biblischen Figur der Miriam annimmt, gilt als eines von Gernsheims ehrgeizigsten Werken; es handelt sich eigentlich um eine große Sinfonische Dichtung, allerdings klassizistisch formal in vier Sätzen angeordnet. Gernsheims Œuvre, soweit es überblickbar ist, demonstriert letztlich auch, wie niveauvoll das Umfeld war, aus denen sich Brahms, Bruckner, Tschaikowsky und die übrigen Spitzen des späteren 19. Jahrhunderts heraushoben. Damit sind seine Werke ein Fall für Einspielungen, welche diese dem Interessierten verfügbar machen, unabhängig von den Usancen des Konzertbetriebs.

Die vorliegenden Produktionen des Philharmonischen Staatsorchesters Mainz unter Hermann Bäumer sind grundsolide; das Orchester verfügt besonders über hervorragende Holzbläser, die allerdings manchmal wegen mangelnder Transparenz der Totale ins Hintertreffen geraten. Die Streicher sind am besten, wenn sie anspringend spielen können; in ruhigen Passagen würde eine sattere Klangentwicklung gut tun, vielleicht würde schon helfen, wenn ein stärkeres Vibrato zugestanden würde. Zu den besten Eigenschaften des Orchesterleiters Hermann Bäumers, eines ehemaligen Berliner Philharmonischen Posaunisten, gehört seine Fähigkeit zum schönen Rubato-Spiel, was etwa dem Kopfsatz der 1. Sinfonie und dem langsamen Satz der 3. Sinfonie wohltut. Offen bleibt, ob etwas mehr formale Strenge die scheinbar differierenden Tempoebenen des Kopfsatzes der 1. Sinfonie nicht besser vermitteln könnten. Doch im Ganzen spielt das Orchester sehr ordentlich, und es bleibt ein hoher Repertoirewert.

Prof. Michael B. Weiß [16.07.2013]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Friedrich Gernsheim
5Sinfonie Nr. 3 c-Moll op. 54 00:32:57
6Sinfonie Nr. 1 g-Moll op. 32

Interpreten der Einspielung

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