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Besprechung CD

cpo 777 518-2

1 CD • 63min • 2009

14.06.2012

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

Wenn heute jemand einer Sinfonie den Beinamen „Erhebung“ gäbe, müßte er zweifellos mit einer Dauerobservation des Verfassungsschutzes rechnen. Vor hundert Jahren hingegen konnte man noch davon ausgehen, dass der Titel in eine andere Richtung zielte: Es war die Zeit der riesigen Offenbarungen, der ekstatischen und feurigen Poeme, der tausendköpfigen Sinfonien – kurzum einer „erhebenden“ und somit „erheblichen“ Musik, die mit künstlerischen Mitteln eine qualitative Verbesserung des menschlichen Daseins erträumte. In diese Kategorie wird man auch Jan van Gilses dritte Sinfonie nicht nur ideell, sondern auch ganz musikalisch-praktisch einordnen dürfen.

Das 1907 vollendete, am 2. Juni 1908 in München aus der Taufe gehobene und am 4. März 1909 erstmals in den Niederlanden aufgeführte Werk läßt die beiden älteren Geschwister aus der Konservatoriums- und Postgraduiertenzeit weit hinter sich. Die Dimensionen der fünfsätzigen Komposition sind enorm gedehnt, die Besetzung nach dem unmittelbaren Vorbilde Gustav Mahlers um eine Sopranstimme ergänzt, die die Sätze III und V beherrscht, und die Kunstfertigkeit van Gilses, wie ein Seismograph in der Gegenwartsmusik die ihm gemäßen Meister aufzuspüren und kommentierend durch sein eigenes Schaffen zu reflektieren, ohne dass man ihn eigentlich des Plagiats bezichtigen könnte – diese Fertigkeit hat inzwischen ein authentisches Niveau erreicht: Nach dem Ringen mit Schumann, Mendelssohn und Wagners Meistersingern, das die Diktion der beiden ersten Sinfonien (s. Klassik Heute 18829) in höchstem Maße kennzeichnete, wird der „erhebende“ Bogen der Dritten von Isoldes ruhig-liebevoller Hand gespannt, bevor in einer leidenschaftlich ernsten Musik Liszt, Strauss und Mahler nachklingen und – dem ersten Sopransolo folgend – ein hinreißender Walzer mit großem Schwung die Reminiszenzenjäger aller Länder vereinigt, um ihnen bei der Suche nach den Urbildern dennoch ständig eine Nase zu drehen.

Ziemlich genau ein Drittel der gesamten Aufführungszeit nimmt das Finale über einen Ausschnitt aus dem Canticum canticorum ein: „Siehe, der Winter ist vorüber ...“ Wenn die estnisch-ungarische Sopranistin Aile Asszonyi diese Worte anstimmt, dann beginnt fürwahr die „Erhebung“, die uns Jan van Gilse verhieß: In einer kolossalen Steigerung wandert der Komponist an Brünnhildes Feuerzauber vorüber, um schließlich mit unmittelbar ergreifenden Formulierungen – stets überstrahlt von der glühenden Stimme der Solistin – an jene Pforte zu gelangen, wo nach Ferruccio Busonis Aussage die Tonkunst aufhört und die Musik daheim ist. Augenblicke wie diese verbieten es, auf der Suche nach Eklektizismen noch länger in den Texturen herumzustochern. Sie verlangen nach dem dröhnenden Live-Applaus eines Publikums, das sich hat mitreißen und "erheben" lassen. Dass dieser fehlt (weil es sich um eine Studio-Produktion handelt), ist das einzig Bedauernswerte der Aufnahme.

Rasmus van Rijn [14.06.2012]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Jan van Gilse
1Sinfonie Nr. 3 (Elevation)

Interpreten der Einspielung

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