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Besprechung CD

Kurt Leimer Rachmaninoff & Leimer

Colosseum Classics COL 9205-2

1 CD • 60min • 1961, 1968

16.04.2012

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 7
Klangqualität:
Klangqualität: 6
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 7

Schlachtross, Fingerbrecher – als was ist Rachmaninows Klavierkonzert Nr. 3 d-Moll op. 30 nicht schon alles bezeichnet worden. Und der Komponist selbst? G.B. Shaw nannte ihn einen „Vulgär-Töner", Richard Strauss stieg sogar die „gefühlvolle Jauche" seiner Musik „unangenehm in die Nase". Ob diese beiden zu dem gleichen Urteil gelangt wären, hätten sie Kurt Leimers Interpretation des d-Moll-Konzerts aus dem Jahr 1961 gehört? Mit von der Partie waren die Nürnberger Symphoniker unter der Leitung von Zsolt Deaky.

Über die russische Premiere des d-Moll-Konzerts am 04.04.1910 in Moskau schrieb der Musikkritiker Grigorj Prokofjew: „Das neue Konzert zeigt die besten Seiten seiner schöpferischen Kraft – Aufrichtigkeit, Schlichtheit und Klarheit der musikalischen Gedanken. […] Es hat alle Frische der Inspiration, ohne nach der Erschließung neuer Wege zu streben, eine klar umrissene und lakonische Form und eine brillante Instrumentation." Schlichtheit und Klarheit, ja sogar Lakonisches bestimmen auch Kurt Leimers Lesart, die auf neue Sichtweisen gänzlich verzichtet, mit Ausnahme einer kaum für möglich gehaltenen Transparenz in seinem Spiel, die den kontrapunktischen Strukturen jedes Satzes, jedes einzelnen kleinen Abschnitts ein scharf konturiertes Gesicht verleiht. Doch sonst?

Zunächst einmal fasziniert Leimers überlegene, fast unfehlbare Pianistik, seine unglaubliche Treffsicherheit, überhaupt die grandiose Beherrschung des gesamten Materials. Dann seine enorme Texttreue, seine uneitle Unterwerfung unter den Notentext, schließlich sein fast unfassbarer Anschlagsreichtum – alles Merkmale, die seine Interpretation nicht zu reiner pianistischer Zirzensik verkommen lassen. Aber was bleibt? Kurt Leimers Rachmaninow versagt sich jeglicher Melodien- und Rührseligkeit, kommt auch ohne die gängigen Verschleppungen, ohne bedeutungsschwangeres An- und Abschwellen sowie ohne weit angelegte Crescendi aus. Mir ist er allerdings eindeutig zu kühl, zu nüchtern. Damit nicht genug, stürmt der zu Lebzeiten hoch geachtete Virtuose, Pädagoge und Komponist in gerade einmal 36 Minuten durch dieses gewaltige Werk – manchmal so schnell, dass ihm das Orchester kaum folgen kann. Dafür sind die Nürnberger Symphoniker dann aber für die emotionalen Momente dieser Rachmaninow-Deutung zuständig, meist in den Passagen ohne Klavier, auch im klanggewaltigen Schluss des Finalsatzes. Insgesamt wird es aber von Leimer überrollt, in den Hintergrund gedrängt, hat dem Pianisten kaum etwas Gleichwertiges an die Seite bzw. entgegen zu stellen. Oder kommt mein Höreindruck aufgrund der damaligen Aufnahmetechnik und des alles in allem höchstens befriedigend zu nennenden Klangbildes dieses historischen Dokuments zustande?

Wie dem auch sei: Kurt Leimers Pianistik ist atemberaubend, zumal sie in ihrer Klarheit wie kaum eine andere mir bekannte Aufnahme dieses Konzerts zeigt, dass Rachmaninow Spätromantiker, Impressionist, Expressionist und Klassizist in einer Person war. Doch Leimers Spiel berührt auf dieser CD in keinem einzigen Moment, nicht einmal in dem tatsächlich lyrisch genommenen Mittelteil des ansonsten eher martialischen Prélude g-Moll op. 23 Nr. 5.

Virtuosität spielt auch die beherrschende Rolle in Kurt Leimers eigenem Klavierkonzert Nr. 2, hier gar mit einem unverkennbaren Zug zum pianistischen Spektakel. Seine spätromantische wie gemäßigt moderne Musiksprache ist voller Anspielungen auf und Verbeugungen vor Leimers Heroen Rachmaninow, Prokofjew und Richard Strauss, sogar Gershwin meldet sich hin und wieder zu Wort. All dies miteinander zu kombinieren, ist schon höchst originell. Aber auch, wenn Leimer immer dann unerwartete Brüche einbaut, wenn einem die Musik allzu bekannt vorzukommen scheint – für mich gehen diese melodischen, harmonischen, rhythmischen und instrumentationsspezifischen Anspielungen weit über bloßes Augenzwinkern hinaus. Das Werk ist in Sachen Klanglichkeit, an Verweisen und Ideenreichtum einfach überladen. Das wirkt sehr schnell ermüdend. Dafür ist bei dieser Aufnahme an dem Miteinander von Pianist und Orchester, dem Orchestra della Radio della Svizzera Italiana unter Leopold Stokowski, kaum etwas zu bemängeln.

Christof Jetzschke [16.04.2012]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Sergej Rachmaninow
1Konzert Nr. 3 d-Moll op. 30 für Klavier und Orchester 00:35:57
4Prelude g-Moll op. 23 Nr. 5 – Alla marcia 00:03:52
5Klavierkonzert Nr. 2 c-Moll op. 18 00:20:11

Interpreten der Einspielung

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