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Besprechung CD

Dietrich Buxtehude Opera Omnia XIII

Challenge Classics CC72252

1 CD • 60min • 2010

11.05.2011

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 6
Klangqualität:
Klangqualität: 7
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 6

Als Dieterich Buxtehude auf die sechzig zuging, veröffentlichte er im Abstand weniger Jahre zwei Sammlungen zu je sieben Triosonaten. Der Druck der Sonaten op. 2 trägt das Veröffentlichungsjahr 1696, die Publikation der nicht datierten sieben Sonaten op. 1 wird allgemein für das Jahr 1694 angenommen. Bereits zehn Jahre zuvor war der Plan einer solchen Ausgabe angekündigt worden, mit dem Zusatz „zur Kirchen- und Tafel-Music bequemlich“ – d.h. der Druck sollte sowohl sonate da chiesa wie auch sonate da camera enthalten. So sieht es beim op. 1 denn auch aus: Unter dem Titel VII. Suonate à doi, Violino & Violadagamba, con Cembalo stehen vier sonate da camera neben drei sonate da chiesa. Im Unterschied zu Corellis Triosonaten für 2 Violinen und basso continuo sieht Buxtehude sowohl bei seinen Sonatensammlungen op. 1 und op. 2 eine Besetzung mit Geige, Gambe und basso continuo vor. Das entsprach, wie der renommierte Barockspezialist Christoph Wolff im Beiheft anmerkt, offenbar einer Vorliebe der norddeutschen Schule.

Buxtehudes Sonaten op. 1 folgen dem Stylus phantasticus, den der zeitgenössische Musikschriftsteller Johann Mattheson folgendermaßen charakterisiert: „… die allerfreieste und ungebundendste Setz-, Sing- und Spiel-Art, die man nur erdenken kann […], nur damit der Sänger oder Spieler seine Fertigkeiten sehen lasse“. Die Veröffentlichung dieser Sonaten stellt die erste eigene Publikation von Buxtehude dar, der (nimmt man 1694 als Erscheinungsjahr an) mit 57 Jahren auch nach heutigen Maßstäben ein reifer Mann war und überdies ein weithin gepriesener Meister norddeutscher Musik. Über den finanziellen Gewinn hinaus, der mit der Drucklegung von Musik in dem damals sehr populären Genre der Triosonate vom wohlhabenden Kulturzentrum Hamburg aus zweifellos zu erreichen war, spielte für Buxtehude offensichtlich auch eine Rolle, seine außerordentlichen Fähigkeiten als Komponist zu zeigen: Die Mannigfaltigkeit ist enorm – kein Stück gleicht dem anderen; und auch in den musikalischen Stimmungen vereinen die Stücke von festlicher Pracht bis zur meditativen Versenkung ein breites Spektrum, dessen Darstellung von den Interpreten eine souveräne Technik am Instrument, ausgeprägte Stilsicherheit und persönliches Einfühlungsvermögen erfordert.

Ton Koopman verfolgt seit Jahren sein Projekt der Gesamteinspielung von Buxtehudes Werk, bereits 2007 hatte ich Gelegenheit, hier seine Einspielung des Oratoriums Das jüngste Gericht zu besprechen. Was damals Auszeichnungsmerkmal der Interpretation war– die schwungvolle Ausdeutung der musikdramatischen Aspekte des Stüückes – wird bei diesen Werken subtiler Kammermusik zum Problemfall. Da ist zunächst einmal die von Buxtehude vorgegebene Besetzung von Geige, Gambe und Cembalo: Ausgesprochen leichten und gut gelaunten Sinns geht Koopman in seinem Beihefttext darüber hinweg – mit den Worten, es sei „sicherlich gut möglich, dass die Werke auch für das Offertorium in der Lübecker Marienkirche gedacht waren. Wir wissen, dass dort manchmal Kammermusik aufgeführt wurde, bei der Buxtehude selbst die Orgel spielte. Die Generalbassbegleitung auf der vorliegenden Einspielung ist deshalb mit Cembalo, Orgel und Laute etwas opulenter. Buxtehude, der großartige Tastenspieler, gestaltet in der Bassstimme mit wenigen Noten die erstaunlichsten Akkorde. Und das nicht nur im Hinblick auf eine kreative Begleitung, sondern auch um ein Gegengewicht zu den virtuosen Stimmen von Gamba und Violine zu schaffen. Gleichwohl gehören die stillen, besinnlichen Momente zu den schönsten in diesen Kompositionen“

Stille und Besinnlichkeit kommen allerdings im Laufe der kappen Stunde Spielzeit dieser CD selten auf – und das liegt in erster Linie an der Unruhe, die von der mutwillig ausgeweiteten Continuogruppe auf die musikalische Atmosphäre ausgeht. Man wird Ton Koopman sicherlich nicht absprechen können, Experte für die Musik der Buxtehude-Zeit zu sein, doch scheint er hier gewissermaßen seiner eigenen Lust am Continuospiel auf den Leim zu gehen – dieser Eindruck drängt sich gerade in den „stillen, besinnlichen Momenten“ auf: Ein besonders reizvoller Aspekt der Triosonate ist, dass dialogisches Musizieren auf drei Stimmen verteilt wird und der Dialog sich unter diesen Dreien immer wieder neu verteilt. Die Rolle des Dritten ist dann Schweigen oder diskrete Begleitung, nicht aber Kommentar! So gehen nicht nur die „stillen, besinnlichen Momente“, sondern die gesamte dramatische Wirkung der Stücke, ihr Klangtheater, unter: Kaum, dass sich eine meditative Atmosphäre einstellt, sei es in einer solistischen Kantilene, sei es in einem Dialog zwischen Violine und Gambe, da fährt das Continuo dazwischen, es klappert die Laute am rauschenden Bach des Cembalo, oder die Orgel fährt mit geschwätzigen Klangtüpfeleien dazwischen. Auf der Vergleichseinspielung ist Lars Ulrik Mortensen präsent, sobald er im Dialog gefordert ist, drängt sich aber nie auf, wenn die beiden anderen ihr musikalisches Gespräch führen. Die Neuaufnahme dieser überaus kunstvollen, aber auch hochemotionalen Musik wirkt folglich eigenartig leidenschaftslos gegenüber der 17 Jahre alten Einspielung von John Holloway, Jaap ter Linden und Lars Ulrik Mortensen, die einen in ihren „besinnlichen Momenten“ stark berühren kann.

Leider kann auch das gelegentlich dumpfe Klangbild der vorliegenden Aufnahme nicht mit der glasklaren Aufzeichnung mithalten, in der die Toningenieure von Danmarks Radio 1994 die eindringliche Atmosphäre eines Höhepunkts der Interpretation von Musik des Hochbarocks für den Tonträger eingefangen haben.

Vergleichsaufnahme: John Holloway (Violine), Jaap ter Linden (Gambe), Lars Ulrik Mortensen (Cembalo). Naxos 8.557248.

Detmar Huchting [11.05.2011]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Dietrich Buxtehude
1Sonate F major op. 1 No. 1 BuxWV 252 00:09:21
2Sonate G-Dur op. 1 Nr. 2 BuxWV 253 00:07:15
3Sonate a-Moll op. 1 Nr. 3 BuxWV 254 00:10:14
4Sonate B-Dur op. 1 Nr. 4 BuxWV 255 00:08:04
5Sonate C-Dur op. 1 Nr. 5 BuxWV 256 00:08:23
6Sonate d-Moll op. 1 Nr. 6 BuxWV 257 00:09:33
7Sonate e-Moll op. 1 Nr. 7 BuxWV 258 00:07:00

Interpreten der Einspielung

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