Robert Schumann
Sammlung von Musik-Stücken alter und neuer Zeit
cpo 777 595-2
3 CD • 3h 21min • 2009, 2010
10.09.2010
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
„Ich will damit allerhand hübsche Gedanken ins Werk setzen, und die Sache soll Feuer unter die Musiker machen!“ Es muss ein erhebender, unsagbar beglückender Augenblick gewesen sein, als Robert Schumann das Licht zu seiner Neuen Zeitschrift für Musik aufging: Endlich den sichtbaren Nachweis erbringen, daß „man zu was taugt“, dabei die Aussicht auf ein einigermaßen geregeltes Einkommen und die Möglichkeit, es dem „Alten“ zeigen zu können, der allmählich den Verlust seines Geschöpfes Clara aufziehen sah, und bei all dem auch noch nach des eigenen Herzenslust die Feder fabulierend und recensierend zu regen – etwas von diesem Schwung der Erfindung spürt man in der Einladung, die 1837 an Ignaz Moscheles ergeht, sich mit einer eigenen Komposition gleich am ersten Hefte des geplanten Periodikums zu beteiligen, das „gegen 500 Leser“ hat, bestehend aus Kennern und Liebhabern der Musik, denen man mit Notenbeilagen einen zusätzlichen Anreiz verschaffen will. Natürlich wird auch Prominentes „beigelegt“, doch das sollte offenbar auch als Motor „Unbekannter und wirklicher Talente“ wirken, die bei der Auswahl hauptsächlich berücksichtig wurden in der Hoffnung, daß sich ihr Name „dadurch im Augenblick Bahn brechen“ werde.
Der Idealist vergißt freilich nur zu leicht, daß sein Enthusiasmus oft genug von der Dunstglocke geistiger Trägheit erstickt wird, und so hat Robert Schumann auch nur vier Jahre, von 1838 bis 1841, durchgehalten. In dieser Zeit erschienen sechzehn Hefte der NZ mit rund siebzig beigelegten Kompositionen von neununddreißig Tonkünstlern bzw. solchen, die es geworden wären, wenn sie’s denn wirklich hätten werden wollen. Viel Potentielles also, viele halb- und uneingelöste Versprechen neben kleinen Schmuckstücken großer Meister „aus alter und neuer Zeit“ – immer durch die Hände des Redacteurs gegangen und daher beleuchtet von seinem flammenden Genie, leise aufzuckend im geschichtlichen Dunkel (wer bitte waren Wilhelm Heinrich Rieffel, Oswald Lorenz, Johann Vesque von Püttlingen?) für den Moment ihrer zeitschriftlichen Aktualität, dann erloschene Hoffnungen oder vielleicht auch still-verkniffen weiterschaffende Eigenbrötler, deren Leben und „Wirken“ nicht nur für Staatshandbuchhalterseelen interessant sein könnte.
Den musikalischen Beilagen der Neuen Zeitschrift für Musik erstmals eine komplette und gründliche Klangwerdung zu gewähren, war nun die Idee des Musikwissenschaftlers Ulrich Tadday, der an der Bremer Universität für den Bereich der Musikhistorie zuständig ist. Wissenschaftlich begleitet, realisiert und kommentiert hat das Projekt die Doktorandin Johanna Steiner, die sich im Rahmen ihrer Forschungsarbeit seit längerem mit der Geschichte und Ästhetik just dieser Sammlung von Musik-Stücken beschäftigt. Unterstützt haben das Beginnen die Philharmonische Gesellschaft Bremen und die Conrad Naber Stiftung, produziert wurde von und bei Radio Bremen, und das Ergebnis ist eine tatsächlich recht einzigartige Box – die man freilich am besten ganz „beiläufig“ hören sollte: Nur wer nicht unablässig auf die ausgedehnten Inhaltsverzeichnisse starrt, macht sich empfänglich für eine Vielzahl hübscher Überraschungen, die auf den drei CDs zu entdecken sind. Natürlich erkennen wir Johann Sebastian Bach, den tönenden Nordstern Schumanns, der übrigens sein eigenes Schaffen äußerst dezent auf die Quartalshefte und Jahrgänge verteilt; und natürlich werden wir weder für Franz Schubert noch für Franz Liszt den „Telefonjoker“ verschwenden müssen. Doch wenn man jäh während eines Klavierstückes emporfährt und – „das ist ja großartig!“ – nachher den Komponistennamen Johann Joseph Hermann Verhulst (1816-1891) liest, oder wenn ein fesselndes Lied namens Abschied von einem Louis Hetsch (1806-1872) geschrieben wurde, dann beweist sich der hohe Nutzen der Unbefangenheit in ganz besonderem Maße.
Klaviermusik, Orgelwerke, Lieder und mehrstimmige Vokalstücke bilden das musikalische Mosaik dieser Publikation, deren durchaus erfreulicher Gesamteindruck weitere Unternehmungen ähnlicher Art zeitigen sollte: Ich denke da an Programme wie die damaligen „Quartettmorgen“, die kammermusikalisch gewiß manchen Sprengstoff enthielten und sicher über die ästhetischen Welt=Anschauungen Robert Schumanns tiefere Aufschlüsse gäben. Indes sollte man sich hüten, das Genie aus dem, was ihm gefiel, zusammenzunieten. Die künstlerische Persönlichkeit ist nie die Summe dessen, was sie im Bücherschranke stehen hat, sondern sie hat im Schranke stehen, was ihr zuströmt.
Rasmus van Rijn [10.09.2010]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Felix Mendelssohn Bartholdy | ||
1 | Das Waldschloß K 87 | 00:01:42 |
Adolph Henselt | ||
2 | Rhapsodie f-Moll | 00:02:37 |
Louis Spohr | ||
3 | Was mir wohl übrig bliebe | 00:01:34 |
4 | Präludium und Fuge Es-Dur | 00:05:29 |
Wilhelm Heinrich Rieffel | ||
5 | Der Pilger (Geistliches Lied) | 00:02:50 |
Stephen Heller | ||
6 | Dre Deutsche Tänze | 00:05:24 |
Oswald Lorenz | ||
7 | Mignons Lied | 00:04:07 |
Felix Mendelssohn Bartholdy | ||
8 | Pagenlied K 75 | 00:01:46 |
Wilhelm Heinrich Rieffel | ||
9 | Ermunterung | 00:02:14 |
10 | III. Leicht und mit Humor | 00:02:13 |
Pauline Viardot-Garcia | ||
11 | Die Kapelle | 00:03:13 |
Adolph Henselt | ||
12 | Impromptu op. 7 | 00:01:06 |
Johanna Mathieux-Kinkel | ||
13 | Trinklied | 00:02:20 |
Ludwig Berger | ||
14 | Andreas Hofer | 00:03:41 |
Johann Vesque von Püttlingen | ||
15 | Die Geisterinsel | 00:01:41 |
Leopold Schefer | ||
16 | Generalbeichte | 00:03:10 |
Joseph Anton Franz Elsner | ||
17 | Trauermarsch | 00:03:49 |
Josephine Lang | ||
18 | Das Traumbild op. 28 Nr. 1 | 00:02:20 |
Johann Sebastian Bach | ||
19 | Fuge c-Moll BWV 575 | 00:04:30 |
Johann Joseph Hermann Verhulst | ||
20 | Religioso (Vers 8 aus dem 145. Psalm) | 00:02:28 |
Louis Hetsch | ||
21 | Abschied | 00:03:06 |
22 | Gigue, sehr schnell | 00:01:13 |
Ludwig van Beethoven | ||
23 | Gesang der Mönche WoO 104 | 00:01:14 |
24 | Chor der Engel D 440 | 00:02:59 |
Carl Maria von Weber | ||
25 | 6 Fughetten op. 1 | 00:02:12 |
Simon Sechter | ||
26 | Contrapunctische Studien I & II | 00:05:28 |
CD/SACD 2 | ||
Clara Schumann | ||
1 | Romanze g-Moll op. 11 Nr. 2 – Andante | 00:06:20 |
Anon. | ||
2 | Chor aus Ossians Gesängen | 00:01:34 |
Carl Koßmaly | ||
3 | Mein erster Gedanke | 00:01:34 |
Johann Sebastian Bach | ||
4 | Fuge e-Moll BWV 945 | 00:01:59 |
5 | Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ BWV 639 (Choralvorspiel) | 00:02:39 |
6 | 2. Satz, Andante | 00:08:50 |
Adolph Henselt | ||
7 | Romanze cis-Moll | 00:00:56 |
8 | Intermezzo, mit größter Energie | 00:02:05 |
Johann Sebastian Bach | ||
9 | Das alte Jahr vergangen ist BWV 614 (Choralvorspiel) | 00:02:11 |
Julie von Webenau | ||
10 | Eigne Bahn | 00:03:02 |
Ferdinand Hiller | ||
11 | Die Rheinmöve | 00:02:43 |
Robert Schumann | ||
12 | Hauptmanns Weib op. 25 Nr. 19 (1840) | 00:01:12 |
13 | Weit, weit op. 25 Nr. 20 (1840) | 00:02:25 |
Johann Sebastian Bach | ||
14 | Durch Adams Fall ist ganz verderbt BWV 637 (Choralvorspiel) | 00:01:43 |
Wilhelm Taubert | ||
15 | Präludium A-Dur | 00:02:32 |
Stephen Heller | ||
16 | Toccatina op. 16 Nr. 7 | 00:02:55 |
Johann Joseph Hermann Verhulst | ||
17 | Notturno | 00:02:13 |
18 | Fughette, leise | 00:01:21 |
Adolph Henselt | ||
19 | Der Dombau | 00:03:16 |
Carl Koßmaly | ||
20 | Von dir so ferne! | 00:01:54 |
Friedrich Hieronymus Truhn | ||
21 | An die Kunstgenossen | 00:01:59 |
Robert Schumann | ||
22 | Rastlose Liebe op. 33 Nr. 5 | 00:01:50 |
CD/SACD 3 | ||
Norbert Burgmüller | ||
1 | Frühlingslied | 00:01:34 |
Ludwig Schunke | ||
2 | Gretchen am Spinnrad | 00:02:19 |
Ferdinand Kufferath | ||
3 | Morgen | 00:02:04 |
Julius Becker | ||
4 | Das Islamägdlein für Gesang und Klavier | 00:02:04 |
5 | Das Islamägdlein für Männerchor | 00:02:27 |
Robert Schumann | ||
6 | Nur ein lächelnder Blick op. 27 Nr. 5 (1840) | 00:02:36 |
Johann Sebastian Bach | ||
7 | Fuge c-Moll BWV 562ii | 00:04:11 |
Julius Stern | ||
8 | Unter den dunklen Linden | 00:03:13 |
9 | Mein Herz ist im Hochland | 00:03:41 |
August Döhler | ||
10 | Gott sende deine Güte | 00:02:24 |
Robert Schumann | ||
11 | Stille Tränen op. 35 Nr. 10 | 00:03:09 |
12 | Gondellied A-Dur | 00:02:00 |
Clara Schumann | ||
13 | Am Strand | 00:02:38 |
Robert Schumann | ||
14 | Mondnacht op. 39 Nr. 5 | 00:03:36 |
Johann Joseph Hermann Verhulst | ||
15 | Der Herr erhält alle (Geistl. Arie: Vers 14 aus dem 145. Psalm) | 00:02:41 |
16 | Der Herr ist allen gütig (Vers 9 aus dem 145. Psalm) | 00:02:54 |
Franz Liszt | ||
17 | Albumblatt E-Dur R 64/2 | 00:01:26 |
Oswald Lorenz | ||
18 | Gesang der Sterne | 00:03:52 |
Carl Koßmaly | ||
19 | Die Weinende | 00:02:21 |
Julius Rietz | ||
20 | Die Hexenküche | 00:03:38 |
Johann Sebastian Bach | ||
21 | O Mensch, bewein dein Sünde groß BWV 622 (Choralvorspiel) | 00:04:42 |
22 | Kurz ist der Schmerz und ewig ist die Freude WoO 163 (Kanon) | 00:01:32 |
Franz Schubert | ||
23 | Des Jammers herbe Qualen (Arie mit Chor - aus: Fierabras) | 00:03:24 |
Niccolò Paganini | ||
24 | Stammbuchblatt von Paganini | 00:02:41 |
Interpreten der Einspielung
- Johanna Stojkovic (Sopran)
- Miriam Sharoni (Sopran)
- Veronika Winter (Sopran)
- Jale Papila (Alt)
- Jan Kobow (Tenor)
- Michael Connaire (Tenor)
- Ralf Grobe (Bass)
- Andreas Pruys (Bass)
- Cord Garben (Klavier)
- Klaus Sticken (Klavier)
- Tillmann Benfer (Orgel)
- Hans Wilhelm Kaufmann (Gitarre)
- Alsfelder Vokalensemble (Chor)
- Wolfgang Helbich (Dirigent)