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Besprechung CD

timpani 1C1176

1 CD • 76min • 2009

16.08.2010

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 8
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 8

Es gibt Kollegen, die musikalischen Entdeckungsreisen, hauptsächlich aus Bequemlichkeit, lieber aus dem Wege gehen und sich damit hinausreden, dass Werke, die nicht mehr gespielt werden, wohl zu Recht in Vergessenheit geraten seien. Dies trifft aus meiner Erfahrung aber nur auf einen geringen Teil der Ausgrabungen zu, die sich in den letzten Jahren stetig gehäuft haben. Viele dieser Kompositionen werden natürlich nicht Eingang ins Repertoire der Opernhäuser und Konzertsäle finden, aber sie kennengelernt zu haben, ist keine verlorene Zeit.

Das gilt etwa für die vorliegende zweiaktige Oper Le Coeur du moulin von Marie Joseph Alexandre Déodat, baron de Séverac (1872-1921), den ich vorher nicht einmal dem Namen nach kannte. Er ist in der Nähe von Toulouse geboren, studierte in Paris an der Schola Cantorum bei Vincent díIndy und tat sich vor allem mit Klavierkompositionen hervor, in denen er seiner Heimat, dem Languédoc, huldigte. Viele seiner Werke hat er selbstkritisch vernichtet. Auch von seinen Bühnenwerken blieben nur zwei erhalten. Das Herz der Mühle wurde durch Vermittlung Claude Debussys an der Opéra comique angenommen, wo es nach dreijähriger Verzögerung der Premiere am 8. Dezember 1909 herauskam, bei der Fachpresse und Kollegen wie Gabriel Fauré überwiegend Anerkennung fand, aber nach 14 Vorstellungen wieder vom Spielplan verschwand. Nachgewiesen sind noch Aufführungen in Toulouse vier Jahre später. Aber das warís wohl auch schon.

Der Dirigent Jean-Yves Ossonce, schon vorher als Perlentaucher erfolgreich (Briséïs von Emmanuel Chabrier kam bei Hypérion heraus), hat das Stück im vergangenen Jahr in Tours erneut zur Diskussion gestellt. Es ist ein Werk des Eskapismus in einer politisch turbulenten Zeit, der sich Séverac durch seine Übersiedlung von Paris in die Pyrenäen entzogen hatte. Die Handlung, dem Textbuch nach Ende des 18. Jahrhunderts im Languédoc spielend, ist relativ simpel. Ein Mann kehrt nach langen Wanderjahren in die Heimat zurück und findet seine Jugendfreundin, die ihn noch immer liebt, mit einem anderen verheiratet. Sie will mit ihm fliehen, aber der Ethos der Dorfgemeinschaft, vertreten durch einen alten Müller, nötigt ihn, erneut in die Fremde zu ziehen. Ungewöhnlich an der Bearbeitung des Plots ist aber die Einbeziehung von Naturmystik. Schon bei seiner Ankunft begrüßen den Mann die Stimmen der Wellen, der Mühle und der Natur, sein Abgang wird durch die Erscheinungen von vier Kindheitserinnerungen, die geisterhaft aus der Mühle treten, begleitet.

So etwas glaubhaft auf der Bühne zu vermitteln, war zweifellos schon bei der Uraufführung nicht einfach. Aber diese Vorlage hat Séverac musikalisch sehr inspiriert. In der Behandlung des Orchesters ist er dem Impressionismus verbunden, auch die rezitativische Führung der Gesangsstimmen verdankt manches dem zu dieser Zeit maßstäblichen Pelléas Debussys. Diese damals moderne Tonsprache wird allerdings kontrastiert durch geschlossene Chor- und Tanznummern, in denen Volksmusik aus dem Languédoc und aus Katalonien verarbeitet und nachempfunden wird.

Ossonce und das Orchester aus Tours musizieren mit Hingabe und einem gelegentlich hymnischen Überschwang, die Gesangssolisten, voran Jean-Sébastien Bou (Bariton) als Jacques, Sophie Marin-Degor (Sopran) als Marie, Pierre-Yves Pruvot (Bariton) als alter Müller und Marie-Thérèse Keller (Mezzosopran) als Mutter, lassen keine Wünsche offen.

Ekkehard Pluta [16.08.2010]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Déodat de Séverac
1Le Cœur du moulin (Oper in zwei Akten)

Interpreten der Einspielung

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