BIS 1656
1 CD/SACD stereo/surround • 79min • 2006
14.04.2010
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Bei der Zählung der Sinfonien hat die Neue Schubert Ausgabe für einige Verwirrung gesorgt, die bis in das Booklet dieser Produktion nachwirkt, wo die Sinfonie D 944 vernünftigerweise nach der traditionellen Zählung als Neunte, dann aber im (übrigens sehr lesenswerten) Begleittext auch wieder als Achte angesprochen wird ... Wie dem auch sei – an Aufnahmen der beiden letzten Schubert-Sinfonien – der „Unvollendeten“ und der „Großen“ C-Dur-Sinfonie – herrscht wahrhaftig kein Mangel. Sie wurden durchexerziert und mystifiziert, verniedlicht und monumentalisiert, zu Breitwand aufgeplustert und historisierend ausgedörrt – kurz: Die Luft ist dünn für Neueinspielungen.
Thomas Dausgaard tritt mit seinem famosen Schwedischen Kammerorchester die Flucht nach vorne an und peitscht den Allegro-Kopfsatz der „Unvollendeten“ ohne Rücksicht auf das „moderato" vorwärts, um der Musik auch noch den letzten Rest von Mysterium auszutreiben. Doch was den dramatischen Ausbrüchen einen zusätzlichen Kick verleihen soll, tut den lyrischen Aspekten des Satzes keineswegs gut, die in Beiläufigkeit verblassen. Man merkt die Absicht und ist verstimmt, spätestens wenn das Seitenthema lieblos phrasiert unter zu dicken Synkopen dahindümpelt oder die bedrohlichen Sechzehntelfiguren vor dem Höhepunkt einen ungewollten Anflug von Lächerlichkeit erhalten. Versteht man Tempo als die ideale Bedingung, unter der alle Elemente der Partitur ihren Charakter entfalten und ihre Funktion ausüben können, so hat Dausgaard es hier ebenso verfehlt wie im Kopfsatz der C-Dur-Sinfonie, wo er ebenfalls Schuberts Zusatzbezeichnung zum Allegro „ma non troppo" ignoriert. Es ist ein Trugschluss, mit Hast und Eile den berühmten „Himmlischen Längen“ vorbeugen zu wollen, anstatt sich den erstaunlichen Wegen und Umwegen von Schuberts Harmonik hinzugeben, die die „Längen" nicht nur glaubhaft, sondern notwendig machen. Dausgaard drängt vorwärts und rafft zusammen gerade da, wo Schubert der Tendenz zum Verweilen nachgibt, den kleinsten melodischen Inflektionen eines Themas nachspürt und seine motivischen Bestandteile in wechselnder harmonischer Beleuchtung zeigt.
Grundsätzlich eignen sich Schuberts Sinfonien durchaus für die Wiedergabe mit einem kleinen Orchester (in diesem Fall handelt es sich um knapp vierzig Spieler), und weite Strecken sind klanglich sehr schön und durchsichtig geraten – zumal in Scherzo und Finale der C-Dur-Sinfonie, die Dausgaards Musizierweise eher entgegenkommen. Umso mehr bedauert man dann Stellen, an denen die Blechbläser unnötigerweise die Holzbläser zudecken oder wo es dem Streicherkörper dann doch einmal an Durchschlagskraft fehlt. Aber entscheidend für eine gelungene Schubert-Wiedergabe ist nicht das klangliche Gewand, sondern die Bereitschaft, sich auf das Wesen des Komponisten einzulassen – und das ist vielschichtiger, als diese überforsche Aufnahme glauben machen will.
Sixtus König † † [14.04.2010]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Franz Schubert | ||
1 | Sinfonie Nr. 7 h-Moll D 759 (Unvollendete) | 00:20:28 |
3 | Sinfonie Nr. 8 C-Dur D 944 (Große C-Dur-Sinfonie) | 00:58:02 |
Interpreten der Einspielung
- Swedish Chamber Orchestra (Orchester)
- Thomas Dausgaard (Dirigent)