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Besprechung CD

Edition Klavier-Festival Ruhr Joseph Haydn | Alexander Zemlinsky

CAvi-music 8553190

4 CD • 3h 38min • 2009

26.03.2010

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 7
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 8

Bearbeiten und Arrangieren – diese Gepflogenheiten finden sich in der gesamten Musikgeschichte. Den vorläufigen Höhepunkt erreichte die Bearbeitungspraxis im 19. Jahrhundert, vor allem in Form von Klaviertranskriptionen ganzer Orchesterwerke, Opern und zahlreicher Lieder. Bearbeitungen waren aber nicht einfach nur eine Modeerscheinung. Ohne ihre Multiplikationsfunktion wäre die Musikverbreitung in der auf massenhafte Aneignung ausgerichteten bürgerlichen Musikkultur des 19. Jahrhunderts kaum voran gekommen. Die Beweggründe für Transkriptionen waren unterschiedlicher Art: das Sich-Einsetzen für große Musik, um diese einem größeren Publikum zu erschließen, ebenso ein virtuoses Sendungsbewusstsein zum Zweck der eigenen Popularitätssteigerung. Im Falle von Alexander Zemlinskys Opern- und Oratorientranskriptionen für Klavier zu vier Händen waren allerdings finanzielle Engpässe dafür verantwortlich, dass der Komponist zu Beginn des 20. Jahrhunderts die entsprechenden Aufträge der Universal Edition annahm. Viel gebracht hat ihm das – abgesehen von der Bezahlung – freilich nicht. Zemlinsky, der Lehrer Schönbergs, Bergs und Weberns, wurde von seinen Zeitgenossen weiterhin fast ausschließlich als Dirigent wahrgenommen, nicht als Komponist; als solcher wurde er erst in den 1970er Jahren wiederentdeckt. Doch vielleicht leiten seine Klaviertranskriptionen eine erneute Zemlinsky-Renaissance ein – dank dem Pianisten Dennis Russell Davies und dem Klavier-Festival Ruhr. 2005 und 2006 hob er dort gemeinsam mit der Pianistin Maki Namekawa Zemlinskys Bearbeitungen von Mozarts Zauberflöte und Beethovens Fidelio aus der Taufe (im Konzert und als Weltersteinspielung auf CD). 2009 waren Haydns Oratorien Die Jahreszeiten und Die Schöpfung an der Reihe, welche nun ebenfalls ihre CD-Premiere erleben.

Maki Namekawa und Dennis Russell Davies gehen die höchst transparenten Bearbeitungen behutsam an. Trotzdem kommen in ihrem sorgsam ausgehorchten (und wie nicht pedalisiert wirkenden), mitunter aber auch recht sachlichen vierhändigen Klavierspiel naive Daseinsfreude und religiöser Ernst genauso zu ihrem Recht, wie meditative und dramatische Bildhaftigkeit. Gewichtig, aber nicht bedeutungsschwer stellen Namekawa und Davies die die Jahreszeiten einleitenden absteigenden Oktaven heraus. Zu ergreifender Innigkeit gelangen sie in dem Bittgesang Sei uns gnädig, dem Rezitativ Willkommen jetzt, o dunkler Hain und in der Einleitung zum vierten Teil (Der Winter); von atmosphärischer Gespanntheit ist auch ihre Wiedergabe des Chors Ach! Das Ungewitter naht. Dagegen wirken unter anderem die Chöre Komm, holder Lenz, Jahe, juhe! Der Wein ist da oder Dann bricht der große Morgen an seltsam spröde und dynamisch ein wenig unflexibel. Nun vermag ich nicht zu beurteilen, ob es an den unterschiedlichen Tonfällen beider Werke an sich liegt, an ihrer Klavierfassung mit all den entsprechenden Vortragsanweisungen oder an der Herangehensweise der Interpreten: Im Vergleich zu den Jahreszeiten sprechen die Auszüge der Schöpfung weit mehr an. Die jeweiligen emotionalen Ebenen werden überzeugender ausgeschöpft, auch das Tonmalerische, beispielsweise das Wogende in der Arie Rollend in schäumenden Wellen oder die recht vokal nachempfundenen Verzierungen innerhalb der Arie Auf starkem Fittige. Die phantasievoll und sehr eindringlich gestaltete Wiedergabe des anfänglichen Chaos lässt mich jedoch vermuten, dass Maki Namekawa und Dennis Russell Davies hier gegenüber den Jahreszeiten eine tatsächlich gedankentiefere Lesart pflegen. Was nicht heißen soll, die eine Transkription oder deren Deutung sei höher zu bewerten, als die andere. Entdeckenswert sind sie beide, schon allein wegen der bewundernswerten Leistung Alexander Zemlinskys, gerade die Farbigkeit dieser beiden Oratorienpartituren ohne allzu großen Verlust auf das Klavier übertragen zu haben.

Christof Jetzschke [26.03.2010]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
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CD/SACD 3
2The Creation Hob. XXI:2

Interpreten der Einspielung

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