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Besprechung CD zum Thema
Violinkonzerte

Mozart

Thomas Albertus Irnberger

Gramola 98890

1 CD • 75min • 2009

13.01.2010

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Der 1985 in Salzburg geborene Thomas Albertus Irnberger ist im besten Sinn ein Sonderfall. Gerade 24-jährig, kann er bereits auf eine stattliche Gramola-Diskografie verweisen. Auch die Liste seiner pädagogischen Führungskräfte ist beeindruckend: Sabaini, Gitlis, Sitkovetsky, Igor Oistrach, Zhislin, Fuks, Kless! Und wie dem Booklet der neuen Mozart-Einspielung zu entnehmen ist, debütierte Irnberger im vergangenen Sommer bei den Salzburger Schlosskonzerten als Sänger mit Arien von Mozart! Diese vokale Neigung teilt er mit dem finnischen Pianisten Henri Sigfridsson, der am Ende seiner Duoprogramme mit der Geigerin Patricia Kopatchinskaya gelegentlich das singende Wort ergreift, während seine Violinpartnerin begleitend ihre Klaviermöglichkeiten erkundet…

Mit Einspielungen der Violinsonaten von Brahms (Gramola 98811), mit einer Zusammenstellung „Wien im Fin de siècle“ (98833) und mit zwei Schubert-CDs an der Seite des Pianisten Jörg Demus (98828, 98858) vermochte Irnberger ebenso zu interessieren und zu überzeugen wie zuletzt mit einer Auswahl aus den Mozart-Violinsonaten (mit Paul Badura-Skoda /98852) bzw. mit den drei Violinsonaten von Niels Wilhelm Gade (98867), wobei bei diesem Ausflug in skandinavische Gefilde der Pianist Edoardo Turbanelli die gleichsam ausländischen Geschäfte übernahm. Ein stattliches Repertoire unter den Vorzeichen wechselnder, anregender, ja inspirierender künstlerischer Partnerschaften, das den jungen Musiker zu Recht sehr schnell in den hörenden Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt hat.

Mit den drei „großen“ Violinkonzerten von Mozart, die in Salzburg Ende 1775 entstanden sind, bewegt sich Thomas Albertus Irnberger in jeder Hinsicht auf heimischem Terrain. Vom ersten Ton an gewinnt man den Eindruck, es handele sich hier um eine musikantische Muttersprache, um die natürliche Weitergabe des seit frühester Kindheit „Inhalierten“. Mit großer Selbstverständlichkeit werden die technischen von den melodischen Sechzehnteln der raschen Sätze voneinander abgesetzt. Instinktiv, aber zweifellos auch wissend wirken die melodischen Ereignisse im Forschen wie im Besinnlichen ausgelotet, auf ihre emotionalen Qualitäten hin abgetastet, zum Schwingen und zum (überlegten) Vibrieren gebracht. Im Begleitheft äußert sich Irnberger ausführlich über die biografisch-kompositorischen Hintergründe der Violinkonzerte, zieht thematische Parallelen zu Mozarts Opernschaffen, erwähnt das ungewöhnliche Instrumentarium, dessen sich sein Vater Leopold gelegentlich bediente („um dem populären Geschmack gerecht zu werdenì) – und er geht auch auf die Entscheidung ein, bei dieser Einspielung einen Hammerflügel als Continuo-Instrument zu verwenden. Es handelt sich also nicht nur um eine in der musikalischen Ausführung, sondern auch hinsichtlich der begleitenden Unterweisung ergiebige Edition.

Irnberger weiß die verschiedenen Satzcharaktere ebenso wie die Satz internen Stimmungsumschwünge plastisch herauszuarbeiten, ohne die übergeordnete Linie, also das taktübergreifende Pulsieren außer Acht zu lassen. Hier ist ihm das „Spirit of Europe“-Orchester (mit Sitz in Melk an der Donau) Vorbereiter, Stütze, Kommentator, Anfeuerung und untermalendes Element – von Martin Sieghart je nach dramaturgischer Situation gewissenhaft, aber keineswegs pedantisch eingefädelt und auf Kurs gehalten. Das seit 2004 bestehende Ensemble – dem Jahr der größten EU-Erweiterung! – eröffnet dem Solisten einen breiten Klang und Erlebensraum. Irnbergers schöner, wenn nötig durchaus saftiger Ton erschöpft sich nicht im Kantablen. Wenn Mozart in diesen Werken Intimes verraten möchte, dann lässt der Geiger sein Instrument sprechen, dann zögert er nicht, ihm auch fahle, sozusagen unangenehme Nuancen zu entlocken. Mein einziger Einwand, was die tonliche Qualität seines Spiels anbelangt, betrifft die tendenziell forcierte Handhabe der hohen Lage. Sie könnte für mein Empfinden etwas mehr Rundung, etwas mehr tonliche „Qualitätì vertragen. Womöglich sind es hier die überschüssigen gestalterischen Kräfte eines Interpreten, der den Vortrag dieser Konzerte glühend-wissend als Mission betrachtet. Diese Kräfte setzt er ansonsten mit planender Übersicht und mit Feingefühl für improvisatorische Lässigkeit in den Kadenzen und „Eingängen“ ein. Die entsprechenden Passagen stammen aus der Werkstatt des Musikwissenschaftlers und Pianisten Paul Badura-Skoda, dessen stilistisch einfühlsame Kadenz für das Haydnsche D-Dur-Klavierkonzert ich bei dieser Gelegenheit professionellen wie häuslich dilettierenden Klavierspielern wärmstens empfehle (Genuin 89145).

Zusammenfassend sei gesagt: Mit dem Interpreten Thomas Albertus Irnberger tritt von Salzburg aus ein Interpret in Erscheinung, der die internationale Violinszene nachhaltig bereichern sollte. Eine Persönlichkeit mit Weit- und Durchblick, ein denkender Virtuose – kurzum: eine Persönlichkeit, wie sie nicht alle Tage die Weltbühne des hochrangigen Musizierens betritt.

Peter Cossé † [13.01.2010]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Wolfgang Amadeus Mozart
1Konzert Nr. 3 G-Dur KV 216 für Violine und Orchester
4Violinkonzert Nr. 4 D-Dur KV 218
7Konzert Nr. 5 A-Dur KV 219 für Violine und Orchester

Interpreten der Einspielung

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