Zeitgenossen Musik der Zeit 36
Hastedt Verlag und Musikedition HT 5336
1 CD • 70min • [P] 2009
26.01.2010
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
„Neue Sparsamkeit“ ist der Obertitel, den der einfühlsame und ausführliche Begleittext Carlos W. Langes für Martin Torps hier eingespielte fünf Klavierzyklen, allesamt 2008 und 2009 entstanden, vorschlägt. Tatsächlich hat dieser Titel viel für sich, wenn man alle dieser insgesamt 37 Stücke aus der Distanz betrachtet; allerdings drückt er auch jene problematischen Charakteristika aus, die in einer zweiten Bedeutung von „sparsam“ ebenso mitklingen: Sparsam kann im heutigen Sprachgebrauch ja nicht nur „ökonomisch“ oder „schlicht“ meinen, sondern auch „ärmlich“, und das in ausdrücklich negativer Bewertung.
Der 1957 geborene Martin Torp, der weniger einen einschlägig kompositorischen als vielmehr einen kirchenmusikalischen Hintergrund hat – wer die akademische Situation in Deutschland kennt, weiß, dass das ein Unterschied ist –, hat tatsächlich keine Angst vor jener Schlichtheit, welche etwa in den 1960er und 1970er Jahren in den Bildenden Künsten als Schlagwort einer bewußten „arte povera“ geführt worden war. Praktisch alle der hier versammelten Stücke, mit Ausnahme des Zyklus Modern Art, bilden nicht nur eine vollkommen simple, sondern oftmals eine aus betont neutralem Formelmaterial bestehende Tonalität aus, die immer wieder an popmusikalische Idiome erinnert. Diese sympathische Sparsamkeit könnte besonders bei Hörern auf Gegenliebe stoßen, die noch keine Erfahrungen mit Neuer Musik gemacht haben; den Kenner wird am ehesten faszinieren, wie Torp mit wenigen Mitteln eine meditative Grundstimmung herstellt, wofür auch die Ruhe verantwortlich ist, mit der hier der Komponist sich selbst interpretiert. Eingewandt muß jedoch werden, dass die Neue Musik gerade seit den 1970er Jahren im Widerstreit zwischen „Neuer Einfachheit“ und „New Complexity“ je eigene Lösungen gefunden hat, welche an sich vielschichtiger waren als eine bloß radikale Beschränkung auf das Einfachste. An diesen Möglichkeiten komponiert Torp, ob bewußt oder unbewußt, vorbei, vor allem, ohne neue vielschichtige Möglichkeiten zu eröffnen. Ideell ist Torps Ästhetik der Sparsamkeit einer Nähe zu derjenigen modernen Malerei verpflichtet, die man zu den „Minimalisten“ rechnen kann, und wie sie etwa in den monochromen Bildern Yves Klein verwirktlicht wird. Ob sich jedoch die selbstgewählte Armut der Musik durch solche Bezüge tatsächlich rechtfertigen läßt, erscheint zumindest fraglich: gehorcht doch das Medium der Musik grundlegend anderen Gesetzen als das der Malerei. Musikalisches Allgemeingut ist auf prinzipiell andere Weise codiert und damit durch Assoziationen verunreinigt, als eine – möglicherweise – per se isolierte, flächig aufgetragene Farbe. Anders gesagt, musikalische Sparsamkeit wirkt oft um ein Vielfaches ärmer als bildnerische.
Prof. Michael B. Weiß [26.01.2010]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Martin Torp | ||
1 | Still-Leben (16 Miniaturen) | 00:26:03 |
17 | Ikonen (5 Klavierstücke) | 00:10:13 |
22 | Sonate Nr. 2 | 00:13:10 |
25 | Klee-Blätter (6 Klavierstücke zu Bildern von Paul Klee) | 00:10:52 |
31 | Modern Art | 00:08:13 |
Interpreten der Einspielung
- Martin Torp (Klavier)