Ludwig van Beethoven Complete Works for Solo Piano Vol. 7
BIS 1612
1 CD/SACD stereo/surround • 69min • 2007
24.09.2009
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Nach seiner für meine Begriffe lauen, im Detail überraschend sorglosen Einspielung der Beethoven-Klavierkonzerte Nr. 2 und in Es-Dur (WoO 4) sowie des B-Dur-Rondos WoO 6 freue ich mich, wieder an jene Belobigungen Ronald Brautigams anzuknüpfen, die ich im Verlauf seiner Gesamtaufnahme der Beethoven-Sonaten mit großem Enthusiasmus zu Papier gebracht habe. Hier auf einer Graf-Kopie von Paul McNulty aus dem Jahr 2007 ist Brautigam von der ersten „Lebewohl“-Phrase an präsent, lässt die Oktaven mit heißem Zugriff aufsteigen und etwas später verleiht er den plötzlich aufblitzenden Terzen der rechten Hand ein Höchstmaß an emotionaler Triebhaftigkeit. Die beiden ersten Sätze dieser kummervollen Abschieds- und Abwesenheitsszenerie profitieren von Brautigams enormer Willenskraft, jeder Note, jeder Phrase Wucht und Pein einzuhauchen, bisweilen auch bis an die Grenzen des Instruments einzubläuen. Problematisch allerdings der Finalsatz! Natürlich hat der Pianist die Vortragsbezeichnung auf seiner gestalterischen Seite, denn Beethoven forderte für das „Wiedersehen“ den Extremfall pianistischer Begeisterung: „Vivacissimamente (Im lebhaftesten Zeitmaß)“! Nun lässt sich trefflich streiten, ob diese frohe Heimkehrerstudie in einem Zeitmaß herausgeschleudert werden sollte, das unweigerlich zu markanten Verschleifungen der in Richtung Diskant an sich zierlich-sprühend gedachten Noten führt. Die alte LP-Einspielung Bruno Leonardo Gelbers halte ich in dieser Hinsicht nach wie vor für vorbildlich – nämlich im Sinne eines Kompromisses zwischen Euphorie, elegantester Brillanz und kühler Beherrschung am Rande des technisch Möglichen.
Ein Ereignis an kraftvoller Zielstrebigkeit ist unter den Händen Brautigams der Kopfsatz der Hammerklavier-Sonate. Im Tempo nicht überzogen, klug strukturiert in den verschiedenen Aggregatzuständen des Themas, nicht ganz so sinnlich wie Kempf in den Verzweigungen der melodischen Gipfelregionen, aber insgesamt ist der risikoreiche Vortrag ein sicheres Fundament, um die zwei folgenden Sätze mit Leben und mit Andacht zu erfüllen. Und zum ausführlichen, anstrengenden Beschluss zeigt Brautigam mit packendem Zugriff gescheite Fugen-Zuverlässigkeit auf der Basis hoher Betriebstemperatur. Im Kreis der vielen Einspielungen behauptet diese BIS-Einspielung unverwechselbares Profil. Im Bereich des Hammerflügel-Katalogs setzt sich Brautigam – soweit ich die Lage überhöre – mühelos an die Spitze.
Dass der „Spielende Holländer“ auf dieser CD nicht nur als heißblütiger, heißfingriger Analytiker auftritt, beweist er im „schubertschen“ Finale der e-Moll-Sonate, dessen wellige, sozusagen gelassene Rastlosigkeit in dieser Werkfolge wie die Ruhe vor dem großen B-Dur-Tsunami op. 106 in Erinnerung bleibt.
Vergleichsaufnahmen: Op. 81: Gelber (EMI) Op. 106: Brendel (Philips), Arrau (Philips), Becker (cpo 777 239-2), Oppitz (Hänssler 98.207), Jezior (Polske Nagrania / Muza PNCD 872), Backhaus (Carnegie Hall 4.1956 /Hänssler PH 07006), Gilels DG, Melodya 10 01133 /Moskau 26.1.1984), A. Schiff (ECM 476 6189),Wehr (Connoisseur Society 4227), Pollini (DG 471 355-2 /1976/7), Guy (Harmonia mundi HMN 911639), Brendel (Paris ’70 /EMI DVA 4901229), Willis (Claves 50-9707/10), Pommier (Erato 3984-23422-2), Feltsman (MusicMasters 67102-2), Kladetzky (Koch / Aulos 3-1861-2), Solomon (Testament SBT 1191), Korstick (Ars musici AM 1365-2), Kempff (DG 459023-2 /1964).
Peter Cossé † [24.09.2009]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Ludwig van Beethoven | ||
1 | Klaviersonate Nr. 26 Es-Dur op. 81a (Les Adieux) | 00:15:32 |
4 | Klaviersonate Nr. 27 e-Moll op. 90 | 00:12:16 |
6 | Klaviersonate Nr. 29 B-Dur op. 106 (Hammerklaviersonate) | 00:40:30 |
Interpreten der Einspielung
- Ronald Brautigam (Fortepiano)