cpo 777 265-2
1 CD • 66min • 2006
28.09.2009
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Wenn dermaleinst ein strebsamer Prähistoriker auf den Gedanken verfiele, sich auf die Suche nach einem fehlenden Bindeglied zwischen Gustav Mahler, Igor Strawinsky, Albert Roussel, Serge Prokofieff, Dmitri Schostakowitsch und Paul Hindemith zu begeben, dann wäre er am selbstgewählten Ziele angelangt, sobald er die dritte Sinfonie des Italieners Alfredo Casella ans Licht befördert hätte. Das Werk, das vor siebzig Jahren im Auftrage des Chicago Symphony Orchestra begonnen und am 27. März 1941 von demselben uraufgeführt wurde, bildet eine Schnittmenge, die desto interessanter ist, als vieles von dem, was sie auf sich zu vereinigen scheint, zur Zeit der Entstehung noch gar nicht existierte oder selbst gerade die ersten zaghaften Knospen ins Diesseits streckte, während das, was sich möglicherweise als Hommage an den großen Kollegen Gustav Mahler in der Partitur wird nachweisen lassen, nicht hinreichte, um überhaupt in die Regionen des echten Zitats hinüber zu gelangen: Die feinen Andeutungen sind von derart subtiler Art, daß sie sich eher dem unterbewußten Nachklingen als der direkten kreativen Absicht dürften zuschreiben lassen. Ausgenommen mag hier allenfalls das Hauptthema des zweiten Satzes sein, das zunächst recht abschiedhaft »mahlert«, bevor klassizistischere Polyphonien die schönen, sordinierten Trompeten auf eigene Weise blasen lassen.
Das alles zeigt aber nur, auf welch hohem musikalischen Niveau Alfredo Casella hier operiert. Neben Ottorino Respighi, Gian Francesco Malipiero und Ildebrando Pizzetti der renommierteste und selbständigste Komponist aus der „Generazione dell’ottanta“ (deren Angehörige, wie der Name sagt, alle um 1880 geboren wurden), erreicht er nach national getönter Frühphase und schnörkelloser Linearität einen Gipfel der meisterhaften Synthese, für die es eigentlich nur einen Platz geben dürfte: und zwar mitten im Repertoire der Konzertsäle. Vielleicht trägt ja die hier vorliegende, exzellente, zugleich scharfkantige und sensible Aufnahme zu deutlichen Verminderung der allgemeinen Berührungsängste bei – das Zeug dazu hätten das Werk und seine Darstellung allemal.
Die populäre Zugabe der Produktion hat es in den hundert Jahren ihres Bestehens erheblich leichter gehabt, denn mit ihren mannigfachen Volkslied-Zitaten und dem großen Funiculi-Funiculà-Finale ist die Rhapsodie Italia op. 11 letztlich doch ein feurig gewürzter, dick mit schmackhaften südländischen Leckereien belegter Imbiß, wie ihn uns keiner der heutigen Massenproduzenten – kein Wagner, kein Oetker – wird vorsetzen können.
Rasmus van Rijn [28.09.2009]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Alfredo Casella | ||
1 | Sinfonie Nr. 3 op. 63 (Sinfonia per orchestra) | 00:44:39 |
5 | Italia op. 11 (Rhapsodie) | 00:21:36 |
Interpreten der Einspielung
- WDR Sinfonieorchester Köln (Orchester)
- Alun Francis (Dirigent)