cpo 777 390-2
2 CD • 2h 27min • 2008
27.07.2009
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Hamburg war im 18. Jahrhundert einer der bedeutendsten Handelsplätze Europas und ein selbstbewusstes Gemeinwesen, das 1510 von Kaiser Maximilian I. zur Freien Reichsstadt erhoben worden war. Das erkannte das benachbarte Dänemark indessen nicht an – der dänische König bestand weiterhin auf seiner Oberhoheit über die reiche Stadt, die ihm durch das Aussterben des Grafengeschlechts der Schauenburger 1459 zugefallen war. Zwar hatte das Reichskammergericht 1618 den Status Hamburgs als Reichsstadt bestätigt, das änderte indes nichts am Appetit des nördlichen Nachbarn auf den fetten Happen an der Elbe; Hamburg empfand sich folglich als Frontstadt und organisierte eine wirkungsvolle Verteidigung. Aufwändige Befestigungsanlagen, zwischen 1619 und 1625 erbaut, umgaben die Stadt mit einem wirkungsvollen Schutzgürtel, durch den sie trotz mehrfacher Belagerungen von Auswirkungen durch den 30jährigen Krieg verschont blieb. Überdies wurde 1619 für die militärische Sicherheit und zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung Hamburgs eine Bürgerwache gegründet.
Erst 1768 konnte Hamburg auf dem Verhandlungswege im Gottorper Vertrag die Anerkennung seiner Freiheit durch Dänemark erwirken: Das war den reichen Hanseaten immerhin einen Schuldenerlass zugunsten des finanziell klammen Dänemark wert, der jahrelang auf dem Haushalt der Stadt lastete; doch nun hatten die Jahrhunderte langen Querelen mit dem nördlichen Nachbarn ein Ende.
Die 57 nach französischer Terminologie „Kapitäne" genannten Hauptleute der Hamburger Bürgerwache wurden für ihren verantwortungsvollen Dienst von der Stadt alljährlich mit einem Festmahl geehrt. Die musikalische Ausgestaltung dieser Bankette gehörte zu den Amtspflichten des Hamburgischen Musikdirektors; Georg Philipp Telemann schrieb in diesem Amt ungefähr 30 so genannte Kapitänsmusiken, von denen lediglich neun zur Gänze erhalten sind. In diesen Werken offenbart sich die ganze Virtuosität Telemanns als Komponist, die ihm zu Lebzeiten immensen Ruhm eingetragen hat: Einerseits sind es Repräsentationsmusiken einer selbstbewussten Republik, entfalten auf der anderen Seite aber auch theatralische und unterhaltsame Reize.
Die Kapitänsmusik für das Jahr 1744 ist Gegenstand der vorliegenden Einspielung. Das Stück ist zweiteilig angelegt: Ein Oratorium eröffnete mit geistlich betrachtendem Inhalt die Feierlichkeiten, während weltliche Aspekte die Serenata bestimmten, mit der das Festbankett musikalisch geschmückt wurde. Diese Festessen für die Bürgerkapitäne waren natürlich hochoffizielle Anlässe des Hamburger Gesellschaftslebens, mit denen sich die Republik auch den in der Stadt anwesenden Gesandten anderer Mächte präsentierte – also mit Sicherheit auch dem Vertreter des dänischen Königs und Herzogs von Holstein. Dieser musste sich allerhand von allegorischen Figuren vorgetragene Arien anhören: Hamburgs Schutz-Geist, Die Lieb zum Vaterlande, Die Freyheit heißen die Sinnbilder und noch Der Leichtsinn, der mit einlullenden Argumenten dem Feind zuarbeitet, indem er die Wachsamkeit schwächt.
Manfred Cordes hat sich und seinem Bremer Ensemble Weser Renaissance mit sehr gelungenen Einspielungen von Musik des 16. und 17. Jahrhunderts einen verdienten erstklassigen Ruf schaffen können. Leider kann die vorliegende Aufnahme keine vergleichbaren Meriten ernten. Dabei fällt wenig ins Gewicht, dass der Tenor Immo Schröder durch Intonationsschwächen und gelegentliche Kurzatmigkeit deutlich aus dem im übrigen gut disponierten Sängerensemble herausfällt. Entscheidend ist der Umstand, dass Cordes offenbar dieses Werk unterschätzt: Telemann gilt zu Recht als Avantgardist unter den deutschen Komponisten des Spätbarock, der die Pforte zum galanten Stil der Frühklassik auftat und überdies ein versierter Musikdramatiker war. Hier aber darf nicht in den Schatten geraten, dass er in dieser Komposition auch Akzente von festlichem Selbstbewusstsein und repräsentativer Prachtentfaltung gesetzt hat, die leider in den zweieinhalb Stunden dieser Einspielung untergehen. Man sollte diese Musik ebenso ernst nehmen wie Händels Oratorien; die einseitige Betonung galanter Gefälligkeit ist ihr ganz und gar nicht angemessen.
Detmar Huchting [27.07.2009]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Georg Philipp Telemann | ||
1 | Kapitänsmusik TWV 15:15 (1744) |
Interpreten der Einspielung
- Dorothee Mields (Sopran)
- Monika Mauch (Sopran)
- Ulrike Hofbauer (Sopran)
- Immo Schröder (Tenor)
- Dominik Wörner (Bass)
- Weser-Renaissance (Ensemble)
- Manfred Cordes (Dirigent)