BIS 1812
1 CD/SACD stereo/surround • 70min • 2008
30.03.2009
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Die Sage von Acis und Galatea, durch Ovids Metamorphosen überliefert, hat viele Komponisten der Barockzeit zu Opernwerken beflügelt. Am bekanntesten ist Häändels semi-theatralische Schöpfung aus dem Jahr 1718. Daß sich auch Haydn dem mythologischen Stoff widmete, dürfte selbst Musikspezialisten nicht allzu geläufig sein. Freilich hat man es hier mit einem Opus zu tun, das nur fragmentarisch überliefert worden ist. Acide ist Haydns erste italienische Oper, 1763 für eine Hochzeits-Festivität im Schloß Esterházy komponiert. Zehn Jahre später stellte Haydn eine zweite Fassung des Werkes her, aber auch davon gibt es nur Bruchstücke. Wenn unter so ungünstigen Voraussetzungen eine Realisierung erfolgen soll, muß nach archäologischem Prinzip vorgegangen werden: Stück für Stück wird restauriert, die Einzelteile werden halbwegs zu einem Ganzen zusammengefügt. So hat es Manfred Hus für die Wiedergabe beim Festival Centropalia 2008 praktiziert. Sämtliche vorhandenen Stücke werden vorgeführt, dazu auch die Alternativ-Vertonungen. Bei unvollständigen Teilen wurden behutsame Ergänzungen vorgenommen. Daß anstelle einer verlorenen gegangenen Zwischenmusik ein Sinfoniesatz Haydns (Nr.12/1) eingefügt wurde, geht zwar ein bißchen über Restauro-Arbeit hinaus, kann aber mit glaubhaften Argumenten motiviert werden.
Spritus rector der Aufnahme ist Manfred Hus, österreichischer Haydn-Forscher, Dirigent, Pianist, Bearbeiter, Schriftsteller und auch sonst noch mancherlei, ein Universalkünstler von fast barocker Prägung. Ihm ist dieser interessante Beitrag zum Haydn-Jahr 2009 zu danken. Die überlieferte Musik zu Acide besteht aus einer groß angelegten, dreisätzigen Ouvertüre (Sinfonia), zwei Rezitativen und sechs Arien von beträchtlichem Umfang. Gleich die erste Arie des Acide (Tenor) währt länger als zehn Minuten und bewegt sich in zierlichen Schnörkeleien dahin, dazu gibt es die kühnsten Sprünge in Höhen und Tiefen. Musikalisch verläuft der ariose Teil ziemlich schablonenhaft, ganz im Fahrwasser der alten italienischen Oper. Ganz anders hingegen die dramatischen Rezitative des Acide und der Galatea. Das sind echte Glanznummern, da steckt ein Feuer, eine Wildheit drin, die den kalten Prunk der Virtuosenstücke hinwegfegt. Schade, daß anscheinend die besten Stücke der Oper nicht erhalten geblieben sind.
Die Wiedergabe durch die Haydn-Sinfonietta Wien und ein fünfstimmiges Vokalensemble hinterläßt überwiegend günstige Eindrücke. Nicht alle Sänger besitzen jenen hohen Grad von Bravour und Geläufigkeit, den die kolossal schwierige Vorlage erfordert. Doch die Stimmen sind gut, der Vortrag ist ausdrucksvoll und sympathisch. Der Tenorsänger Bernard Richter hat seine stärksten Momente im recitativo accompagnato, die Sängerinnen Raffaela Milanesi, Jennifer O'Loughlin und AdrinehSimonian singen und gestalten mit Wärme und Gefühl. Nur dem Bassisten Iván Paley fehlt für den bösen Riesen Polifemo Kraft und Klarheit des Tons. In der Rolle des Nettuno zeigt er allerdings Sattelfestigkeit in der Koloratur.
Die Haydn-Rarität wurde in der Florianikirche zu Straden aufgenommen. Diese kleine Marktgemeinde im Weinland der südlichen Steiermark besitzt ein einzigartiges Juwel sakraler Baukunst: drei ineinander verschachtelte Kirchen auf einem Berggipfel. Ein Ort wie geschaffen für Haydns Musik.
Clemens Höslinger [30.03.2009]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Joseph Haydn | ||
1 | Acide e Galatea Hob. XXVIII:1 (Festa teatrale in 1 Akt) |
Interpreten der Einspielung
- Bernhard Richter (Acide - Tenor)
- Raffaela Milanesi (Galatea - Sopran)
- Jennifer O'Loughlin (Glauce - Sopran)
- Ivan Páley (Polifemo - Bariton, Nettuno - Bariton)
- Adrineh Simonian (Tetide - Mezzosopran)
- Haydn Sinfonietta Wien (Orchester)
- Manfred Huss (Dirigent)