
cpo 999 901-2
2 CD • 1h 44min • 2003
17.11.2008
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Vermutlich wäre es zu einfach, das Verhältnis des Interpreten zu den 1796 erschienenen 40 Etudes ou Caprices pour Violon Rodolphe Kreutzers (1766-1831) auf die Fragestellung zu reduzieren, ob man dieses Studienwerk lieben muss oder nur als reine, wenn auch Staunen machende Pflichtübung wahrnimmt. Vorrangig geht es darum, neben den bloßen technischen Problemstellungen selbst in den einfachsten Stücken den kompositorischen Anspruch und die bemerkenswerten Ausdrucksgegensätze dieses auch heute noch unverzichtbaren Violin-Kompendiums zwischen Melancholie, Kämpferischem und Majestätischem aufzuspüren und herauszustellen. Gelingt dies, so entwickeln die hier zu bewältigenden Phrasierungs-, Artikulations- und Stricharten, Verzierungen sowie Doppel- und Mehrfachgriffe einen Sog, dem man sich als Hörer und Ausführender nur schwer entziehen kann – und zwar unabhängig von ihrem Schwierigkeitsgrad. Nicht nur die Ausformung der mehr-, auch die der einstimmigen Studien unterstreichen, dass Kreutzer – neben Pierre Rode und Pierre Baillot die bestimmende Figur der modernen französischen Violinschule – seine Etüden als eigengesetzliche Kompositionen, als Charakterstücke verstanden haben wollte. Genau dies offenbart das Spiel Elizabeth Wallfischs. Sieht man von einigen nicht weiter ins Gewicht fallenden Intonationstrübungen ab, transportiert es neben Wallfischs technischer Meisterschaft eine unbändige Energie, stellenweise gar den Eindruck des Improvisatorischen. Gewöhnungsbedürftig ist allerdings ihre meist sehr scharfe, dann plötzlich wieder unerklärlich fahle Tongebung. Trotzdem: Elizabeth Wallfischs Wissen um die Notwendigkeit, die Atmosphäre der einzelnen Miniaturen hörbar zu machen, damit aus Fingerübungen funkelnde Kleinode werden, ist in ihrem dynamisch fein nuancierten, unverkrampften, seelen- und glutvollen Spiel zu jeder Zeit spürbar – auch in den zahlreichen Mehrfachgriffen innerhalb der abschließenden zweistimmigen Fuge. Und ihre sanglichen Qualitäten beweist die Geigerin nicht nur in der spannungsgeladenen Etüde Nr. 1, sondern ebenso staunenswert beispielsweise in den Dreiklangbrechungen der Nr. 8, dem Wechselspiel zwischen Trillerübungen, Staccato- und Legato-Spiel in Nr. 29 oder in den großen Intervallsprüngen und den fast durchgängigen Doppelgriffen der Marsch-Etüde (Nr. 33).
Um zu der am Anfang aufgeworfenen Fragestellung zurückzukehren: Elizabeth Wallfischs Verhältnis zu Rodolphe Kreutzers im Ausdruck so vielfältigen Etüden und den damit verbundenen Anforderungen an die geigerische Rhetorik ist ohne Zweifel als Liebe zu bezeichnen. Das gab die Künstlerin nicht nur in einem Interview für „BBC Music Proms 2008“ zu Protokoll. Das hört man dieser zu empfehlenden Aufnahme ganz einfach an.
Christof Jetzschke [17.11.2008]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Rodolphe Kreutzer | ||
1 | 40 Études ou Caprices pour Violon | 00:56:25 |
Interpreten der Einspielung
- Elizabeth Wallfisch (Violine)