cpo 777 176-2
1 CD/SACD stereo/surround • 79min • 2005
04.11.2008
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Das reiche Hamburg war dem dänischen König Jahrhunderte lang ein Dorn im Auge. Der nordische Monarch begriff sich selbst über seine in Personalunion mit der dänischen Krone verbundenen holsteinischen Besitzungen als Landesherr der reichen Handelsstadt an der Elbe, die ihrerseits auf dem Status einer Freien Reichsstadt beharrte, der sie von landesherrlicher Obrigkeit unabhängig machte. Im Dreißigjährigen Krieg hatte sie sich die Bestätigung der bereits jahrhundertlang faktisch bestehenden Reichsfreiheit durch den Kaiser Unsummen kosten lassen und überdies modernste Befestigungsanlagen gebaut, um vor Angriffen der feindlichen Nachbarn sicher zu sein. Zur Verteidigung der Stadt bestand seit 1619 die Bürgerwehr, deren 57 nach französischer Terminologie „Kapitäne“ genannte Hauptleute für ihren verantwortungsvollen Dienst von der Stadt alljährlich mit einem Festmahl geehrt wurden. Die musikalische Ausgestaltung dieser Bankette gehörte zu den Amtspflichten des Hamburgischen Musikdirektors; Georg Philipp Telemann schrieb in diesem Amt ungefähr 30 sogenannter Bürgerkapitänsmusiken, von denen lediglich neun erhalten sind. In diesen Werken offenbart sich die ganze Virtuosität Telemanns als Komponist, die ihm zu Lebzeiten immensen Ruhm eingetragen hat: Einerseits sind sie Repräsentationsmusiken eines selbstbewussten Gemeinwesens, entfalten auf der anderen Seite aber auch theatralische und unterhaltsame Reize.
Die Vielfalt dieser Festmusiken offenbart sich besonders gut in den beiden hier eingespielten Teilen der Kapitänsmusik des Jahres 1724, Telemanns viertem Hamburger Jahr. Ein Oratorium schmückte den Gottesdienst musikalisch aus, der dem Mahl voranging, während eine „Serenata“ den unterhaltsamen Teil des Feiertags begleitete.
Ludger Rémy lässt sich die Gelegenheit, eine reiche Skala musikalischer Affekte und Effekte zu aufzufächern, allerdings leider entgehen. Mit seinem Telemannischen Collegium Michaelstein hat Rémy mit verschiedenen Vokalbesetzungen schon andere Kompositionen Telemanns eingespielt, so ein Jahr vor dieser Kapitänsmusik eine CD mit drei Kantaten (cpo 777 064-2), die durch lebendige Interpretationen bestach. Jetzt scheint sich jedoch eine gewisse Ermüdung eingeschlichen zu haben, die manchmal die freudlose Begleiterin der Routine ist. Gewandtheit zeichnet das Orchester gewiss aus; bei den Vokalsolisten kann davon allerdings allzu häufig keinesfalls die Rede sein. Die beiden Bässe Matthias Vieweg und Ekkehard Abele (der auch schon an der Kantaten-CD beteiligt war) agieren tadellos, die Sopranistin Magdalena Podkoscielna und der Tenor Andreas Post sind ihren Aufgaben hingegen kaum gewachsen: Da die technische Bewältigung der Partien mühevoll genug ist, was sich an unzureichender Intonation besonders beim Tenor zeigt, bleibt die Gestaltung meist auf der Strecke – beispielsweise kommen die „heißen Seufzer“ einer Sopranarie über laue 17 Grad Celsius nicht hinaus. Auch die abwechslungsreiche Musik der Ensembles wird immer wieder auf ein Mittelmaß zurückgestutzt.
Will man hören, was in Telemanns Kapitänsmusiken wirklich steckt, muss auf die Einspielungen entsprechender Werke durch Michael Schneider oder Wolfgang Helbich bei cpo verwiesen werden.
Detmar Huchting [04.11.2008]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Georg Philipp Telemann | ||
1 | Kapitänsmusik 1724 TWV 15:2 |
Interpreten der Einspielung
- Andreas Post (Tenor)
- Magdalena Podkoscielna ( - Sopran)
- Matthias Vieweg (Bass)
- Ekkehard Abele (Bass)
- Telemannisches Collegium Michaelstein (Ensemble)
- Ludger Rémy (Dirigent)