Anzeige

Teilen auf Facebook RSS-Feed Klassik Heute
Klassik Heute - Ihr Klassik-Portal im Internet

CD • SACD • DVD-Audio • DVD Video

Besprechung CD zum Thema
Chormusik und Oratorien

Carus 83.168

1 CD • 51min • 2004, 2005

18.01.2008

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 8

Glück im Unglück hat Johann Christoph Altnickol (1719-1759) gehabt, dass er Bachs Schüler und später auch Schwiegersohn war, so wurde er trotz seines frühen Todes und seines nur spärlich überlieferten Werkes nicht ganz und gar von der Nachwelt vergessen. Das Unglück bei der Geschichte ist, dass der prominente Lehrer und Fürsprecher vielleicht nicht die beste Visitenkarte für den 28-Jährigen war, als er sich 1748 um die Nachfolge Wilhelm Friedemann Bachs als Organist der Dresdner Sophienkirche bewarb: Die Musik des Thomaskantors galt in der dem Modernen zugeneigten sächsischen Hauptstadt vielleicht als ein wenig altmodisch, so dass der Hinweis des scheidenden Bach-Sohnes, der Bewerber habe bei seinem Vater Klavier und Komposition studiert, kein diplomatisches Meisterstück war.

Altnickol war 1744 zum Studium der Theologie nach Leipzig gekommen, nachdem er zuvor drei Jahre in Breslau als Sänger und Hilfsorganist an der Kirche St. Maria Magdalena gewirkt hatte. Schnell ergab sich ein Kontakt zum Thomaskantor Johann Sebastian Bach, der den jungen Mann nicht nur als Schüler akzeptierte, sondern ihn auch in sein Haus aufnahm. Bach hielt große Stücke auf diesen Schüler: „Er ist ein Ecolier, dessen ich nicht zu schämen haben darf“, schrieb er und bescheinigte ihm als Musiker und Komponist „ganz besondere Geschicklichkeit“. Die Beziehungen zur Familie Bach intensivierten sich: 1749 heiratete er die 23-jährige Tochter Elisabeth, das „Lieschen“ und nahm nach dem Tod des Schwiegervaters ihren geistig behinderten Bruder Gottfried Heinrich in seine Obhut. Nachdem Altnickol als Bewerber in Dresden durchgefallen war, ging er 1748 als Organist nach Niederwiesa bei Greiffenberg/ Schlesien. Schon ein halbes Jahr später konnte er diese „wegen beschwerlicher und täglicher Schularbeit“ ungeliebte Stelle mit der reizvolleren Position des Organisten an der Naumburger Wenzelskirche vertauschen, die er bis zu seinem Tod mit 39 Jahren im Jahr 1759 innehatte.

Mit seinem 1981 gegründeten Norddeutschen Figuralchor und dem Ensemble Musica Alta Ripa hat sich nun Jörg Straube der verantwortungsvollen Aufgabe angenommen, anhand des schmalen überlieferten Œuvres Johann Christoph Altnickols eine Lanze für diesen unverdient vergessenen Komponisten zu brechen. Eine auf Kyrie und Gloria verkürzte „lutherische“ Messe und zwei Vertonungen des Sanctus weisen ihn als Meister aus, der sich virtuos die Kunst seines Lehrers angeeignet hat, während er in den beiden Choralmotetten Befiehl du deine Wege und Danket dem Herrn eine bemerkenswerte Geschmeidigkeit an den Tag legt, althergebrachte Kunstfertigkeit mit den modernen Ausdrucksmitteln des empfindsamen Stils zu verbinden.

Nachdem sich in der Wissenschaft mehr und mehr die These durchsetzt, dass besonders in Mitteldeutschland eine Aufführung mit Vokalsolisten oder in kleiner Besetzung die Regel gewesen ist, stellt der zahlenmäßig ziemlich stark besetzte Chor dieser Aufnahme besonders bei der Interpretation der Messe eine stilistische Beeinträchtigung dar, die sich auf zweierlei Weise bemerkbar macht: Einerseits gerät das kleine Instrumentalensemble gegen die Klangfläche des Chores ins Hintertreffen, andererseits agieren die aus dem Chor rekrutierten Solisten (eine eigentlich richtige Entscheidung) nicht souverän, sie klingen ein wenig unsicher und ihrer Heimat im Chorklang beraubt. Bei einer solistischen Aufführungspraxis wäre der strukturelle Unterschied zwischen Soli und Ensembleteilen, der weniger auf Klangfülle als auf der verschiedenartigen Spannung der musikalischen Aussage beruht, deutlicher zum Ausdruck gekommen. Vollends unverständlich ist die Entscheidung für die italienische Aussprache der lateinischen Messtexte, wo die deutsche Aussprache stilecht gewesen wäre.Dennoch: Jörg Straube ist hier ein überzeugendes Plädoyer für den Komponisten Johann Christoph Altnickol gelungen!

Detmar Huchting [18.01.2008]

Anzeige

Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Johann Christoph Altnickol
1Missa in d 00:19:51
11Befiehl du deine Wege (Choralmotette) 00:19:12
23Sanctus 00:02:44
24Sanctus 00:02:33
25Nun danket alle Gott (Choralmotette) 00:05:59

Interpreten der Einspielung

Vorherige ⬌ nächste Rezension

11.10.2006
»zur Besprechung«

György Kurtág, Sämgliche Chorwerke / SWRmusic
György Kurtág, Sämgliche Chorwerke / SWRmusic

07.11.2008
»zur Besprechung«

Igor Strawinsky / SWRmusic
Igor Strawinsky / SWRmusic

zurück zur Themenliste

Das könnte Sie auch interessieren

16.03.2022
»zur Besprechung«

Nicolaus Bruhns, Cantatas and Organ Works Vol. 1
Nicolaus Bruhns, Cantatas and Organ Works Vol. 1

12.08.2020
»zur Besprechung«

Johann Sebastian Bach, Concertos for Harpsichord and Strings Vol. 1
Johann Sebastian Bach, Concertos for Harpsichord and Strings Vol. 1

10.04.2020
»zur Besprechung«

Johann Sebastian Bach, St Matthew Passion BWV 244
Johann Sebastian Bach, St Matthew Passion BWV 244

18.02.2020
»zur Besprechung«

Ludwig van Beethoven, Symphony No. 9 in D major / BIS
Ludwig van Beethoven, Symphony No. 9 in D major / BIS

Anzeige

Klassik Heute - Ihr Klassik-Portal im Internet

Anzeige