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Besprechung CD

Vincent Lübeck Complete Organ Works

cpo 777 198-2

1 CD • 67min • 2005

26.06.2006

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 7
Klangqualität:
Klangqualität: 7
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 8

Auf vorliegende Produktion muß schon allein wegen ihres umfassenden Repertoirewertes hingewiesen werden. Wann bekommt man das schon einmal: Auf einer einzigen CD ist das Orgel-Gesamtwerk eines Komponisten enthalten, und dazu noch, quasi als Bonus, auch noch das Orgel-Gesamtwerk seines Sohnes. Vincent Lübeck der Ältere (1654–1740) wirkte als Organist; seine wichtigste Position war die des Organisten an der Hamburger St. Nicolai-Kirche. Sein Assistent war ab 1735 sein Sohn und Schüler Vincent Lübeck der Jüngere (1684–1755), der ebenfalls in bescheidenem Umfange komponierte. Von den ohnehin jeweils äußerst schmalen Gesamt-Oeuvres der beiden sind zudem noch einzelne Werke verloren gegangen; so kann man sich über die Kompositionskünste von Vater und Sohn Lübeck anhand dieser Aufnahme ein fast vollständiges Bild machen, wenngleich die Autorschaft des Sohnes in den wenigen überlieferten Beispielen fragwürdig ist. (Vom Vater gäbe es außerdem noch verstreute geistliche Vokalwerke sowie einige wenige Cembalo-Werke zu entdecken).

Doch nicht nur, weil so wenig Musik von ihnen überliefert ist, fällt es schwer, die beiden Lübecks als veritable, also: hauptberufliche Komponisten zu bezeichnen. Im Vergleich zu Werken des Zeitgenossen Buxtehude und anderer Vertreter des sogenannten stylus phantasticus nehmen sich die Stücke vergleichsweise altbacken aus. Diesen Umstand drückt der Organist Friedhelm Flamme im (wie immer bei cpo-Produktionen) hervorragend informativen Beiheft sachlicher aus: Er verweist darauf, daß die Lübecks vergleichsweise wenige improvisatorische, rezitativische oder virtuose Passagen in ihre Stücke aufgenommen haben, und das kontrapunktische Schreiben demgegenüber in den Vordergrund trete. Doch auch hier nimmt man mehr Schulwissen wahr als eine einfallsreiche und selbständig erfundene Durchführung. Das demonstriert etwa das Praeludium in d (Tr. 6), das einige der interessantesten phantasierenden Abschnitte des Gesamtwerks überhaupt vorstellt, und in Teilen auf frappierende Weise einige Sequenzpassagen der berühmten Toccata und Fuge d-moll BWV 565 von Johann Sebastian Bach vorwegnimmt. Dies zeigt jedoch nun nicht nur, daß der jüngere Thomaskantor durchaus auf bereits kursierendes Material zurückgriff, sondern auch gleichzeitig, daß dieser es besser verstand, aus dem sehr ähnlichen Material ungleich mehr an Dramatik zu gewinnen.

Aber zugegebenermaßen ist es vielleicht ungerecht, die beiden Lübecks mit den größten ihrer Zeitgenossen zu vergleichen. Es finden sich auch echte Preziosen auf der Aufnahme, etwa das mitreißende Praeambulum in E sowie die kurze und reizend verspielte Partita über In dulci jubilo, die eventuell vom Sohn stammt. Hauptkennzeichen der Interpretationen Friedhelm Flammes ist die Geduld und Schlichtheit, mit der er die Stücke präsentiert, und das Strukturbewußtsein, mit der er in transparenten Registrierungen den Kontrapunkt auf der Grauhofer Christoph-Treutmann-Orgel herausarbeitet. Gerade das genannte, zu einiger phantasierender Virtuosität auflaufende Praeambulum in E läßt freilich auch ein wenig Spiellaune vermissen. Flamme würde die Wirkung noch immens steigern, würde er ein wenig mehr – und durchaus innerhalb der Grenzen des guten Geschmacks – nach eigenem Gutdünken verzieren. Ein wenig interpretatorische Zutat wäre mit dem Geist der Zeit durchaus vereinbar gewesen. Insgesamt jedoch eine verdienstvolle Tat.

Prof. Michael B. Weiß [26.06.2006]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Vincent Lübeck
1Praeludium in C
2Praeludium in g
3Praeambulum in F
4Lobt Gott, ihr Christen allzugleich
5Praeambulum in E
6Praeludium in d
7Nun lasst uns Gott, dem Herren
8Praeambulum in c
9Praeambulum in G
10Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ
11In dulci jubilo

Interpreten der Einspielung

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