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Besprechung CD

Naxos 8.557812

1 CD • 52min • 1996, 2000, 2005

23.06.2006

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 7
Klangqualität:
Klangqualität: 6
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 7

Seit Lebzeiten ist Dmitri Schostakowitsch einer derjenigen Meister der Moderne, die weltweit kontinuierlich aufgeführt werden. Dennoch finden sich in seinem Oeuvre natürlich auch selten gespielte Stücke. Zu den kaum einmal gepflegten Werken, die wohlgemerkt nicht mit seiner umfangreichen filmmusikalischen Produktion zusammenhängen und dadurch vielleicht nur funktionalen Status beanspruchen könnten, gehört die Tondichtung Oktober in c-Moll. Sie zählt zu seinen letzten größeren Orchesterstücken vor der 15. Sinfonie überhaupt. Geschadet hat der Rezeption des Stückes bereits seit der wenig begeistert aufgenommenen Uraufführung von 1967, daß schon bald kolportiert wurde, Schostakowitsch habe das Stück eher lustlos und noch dazu in Eile geschrieben. Rostropowitsch, der mit Schostakowitsch ja längere Zeit eng zusammenarbeitete, sprach sogar von „absichtlich schlecht geschriebener Musik“, und Krzystof Meyer ging in seiner großen Biographie so weit, das Stück zu den wenigen „toten Positionen in Schostakowitschs Werkverzeichnis“ zu rechnen.

Auch wenn die Tondichtung Oktober sicherlich nicht zu den inspiriertesten Werken des Komponisten zählt, sind diese Einschätzungen überzogen. Zum einen konnte Schostakowitsch gar nicht schlecht komponieren, selbst wenn er es wollte; darüber hinaus hatte er auch mit dem äußeren politischen Anlaß, dem 50. Jahrestag der Oktober-Revolution, seine Erfahrungen gesammelt, weil sich immerhin schon die 2. und die 12. Sinfonie auf dieses weltpolitische Ereignis bezogen. Sicherlich ruft Schostakowitsch in Oktober zum Teil motivische Elemente ab, über die er einfach frei verfügte, die nicht von besonderer Originalität sind, die sich aber so – oder so ähnlich – auch in seiner vergleichsweise weitaus höher bewerteten Filmmusik finden. Es handelt sich bei dem einsätzigen Stück um ein formal vollkommen überzeugendes Werk, dessen Material betont generisch gehalten ist. Faßt man das Stück so auf: als Darstellung musikgeschichtlich allgemein gehaltener Motivbausteine, könnte man die Tondichtung auch als die auktoriale Intention verstehen, ein objektives Ereignis mit allgemein verfügbaren Mitteln zu schildern – oder gar als Vorboten der aufregenden a-personalen Tendenzen des Spätwerks, in welchem das Selbst des Komponisten hinter Zitaten verschwindet und sich so gleichsam selbst ausradiert: Man vergleiche dazu die 15. Sinfonie. Eine solche Einschätzung des Oktober hätte den Vorteil, daß sie ohne qualitative Bewertung auskäme.

Dafür, daß das Stück auf der Aufnahme der Seattle Symphony unter Gerard Schwarz jedoch tatsächlich keinen besonders starken Eindruck hinterläßt, ist nicht zuletzt die viel zu neutrale Interpretation verantwortlich. Weder bildet das Orchester jene sinfonische Klangqualität aus, die das BR-Symphonieorchester unter Mariss Jansons derzeit entwickelt, noch reicht es an die Dringlichkeit der älteren, speziell sowjetischen Schostakowitsch-Aufführungspraxis heran. Die Seattle Symphony spielt nobel, aber eben auch unentschieden, ja ein wenig desinteressiert. Konkret hätten Akzente geschärft, Melodien mit stärkerem dynamischen Relief ausgesungen, überhaupt die ein wenig hohl tönenden dramatischen Passagen weitaus expressiver genommen werden müssen. Zudem ist die Akustik generell zu hallig geraten.

Das Desinteresse der Musiker erstaunt, wenn man die beiden anderen auf der CD versammelten Stücke vergleicht. Die kritisierten Tendenzen finden sich nämlich nicht auf der sehr dicht und ansprechend gelungenen Aufnahme der Exekution des Stephan Rasin op. 119; der Baßbariton Charles Robert Austin gestaltet seinen Part sehr eindrucksvoll, genügend opernhaft-dramatisch, aber dennoch im Kern belcantistisch, und die Schwarz’sche Mäßigung des Orchesters überzeugt hier eher, weil der groteske Grundtenor des Stückes keiner Schärfung bedarf. Die interpretatorisch höchstwertige Tat freilich findet sich am Schluß der CD: Die ebenfalls raren und knappen Fünf Fragmente op. 42 präsentieren gute Bläsersolisten und ein insgesamt geglücktes Verhältnis von Ensemble und Kollektiv. Hat sich also in diesem Fall der zu Unrecht schlechte Ruf der Oktober-Dichtung auf die Interpretation ausgewirkt – oder hatte das Orchester einfach in den Sitzungen von 1996 (op. 119) und 2005 (op. 42) bessere Stunden als im Jahre 2000 (op. 131)?

Prof. Michael B. Weiß [23.06.2006]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Dimitri Schostakowitsch
1Die Hinrichtung des Stenka Rasin op. 119 für Bass, gemischten Chor und Orchester
2Oktober op. 131 (1967)
3Fünf Fragmente op. 42 (1935)

Interpreten der Einspielung

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