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Besprechung SACD

BIS 1543

1 SACD • 62min • 2005

19.09.2006

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 7
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 8

Die dreizehnte Sinfonie gehört zu den eindringlichsten und stärksten sinfonischen Werken von Schostakowitsch. Ihr Beiname „Babi Yar“ ist programmatisch, greift aber zu kurz. Es geht nicht nur um die schrecklichen Geschehnisse in Babi Jar, einer Schlucht in der Nähe des ukrainischen Kiew, in der im Herbst 1941 von der deutschen Wehrmacht rund 100.000 Juden ermordet wurden, sondern auch um die Mitbeteiligung einheimischer Ukrainer an dem Massenmord sowie die verwunderliche Gleichgültigkeit der Sowjetunion gegenüber dem Geschehen und den Antisemitismus in der Sowjetzeit. Schostakowitsch war durch das 1961 von Jewgeni Jewtuschenko geschriebene Gedicht „erschüttert“ und betonte: „Die Erinnerung an Babi Jar hatte getilgt werden sollen. Erst versuchten es die Deutschen, später die ukrainischen Funktionäre. Doch nach Jewtuschenkos Gedicht war klar, dass es nie vergessen werden würde.“

Schostakowitsch verbindet in seiner dreizehnten Sinfonie diese Thematik mit einem musikalischen Psychogramm. Er vertonte nicht nur Babi Jar (1. Satz), sondern vier weitere Gedichte von Jewtuschenko: Humor (2. Satz), Im Laden (3. Satz), Ängste (4. Satz) – eigens für diese Sinfonie geschrieben – und Karriere (5. Satz). Ausgebreitet wird ein Spektrum von Verhaltensweisen, Gefühlen, Befindlichkeiten der Menschen während der Zeit der kommunistischen Diktatur in seinem Land. Insofern greift der Titel zu kurz, das Werk ist mehr als die aufrüttelnde Erinnerung an Judenmord und Antisemitismus, ist bittere Klage über Unterdrückung, beschwört die Macht des Humors über die Tyrannei, schildert Opportunismus wie Versuche, persönliche Integrität zu bewahren sowie das vermeintliche Aussterben der Ängste in Russland. Es ist also ein durch und durch politisches Werk, freilich weit entfernt von programmatisch-plakativen Gesten, sondern überaus subtil komponiert.

Mark Wigglesworth zeigt großes Einfühlungsvermögen in die gedankliche und klangliche Welt dieser Sinfonie. Er spannt den großen Bogen, lässt das Werk in seiner ganzen Bandbreite musizieren: mit sehr leisen, nachdenklichen Tönen, auch kräftig, gar auftrumpfend, akzentreich, doch nie mit Übertreibungen – immer sehr klar, nie pauschal in Klang und Dramaturgie. Sehr gut erfühlt er die unterschiedlichen Stimmungen: Man höre nur einmal die Sätze 3 (Im Laden) und 4 (Ängste): traurig, ergreifend, ernst und beklommen. Über allem liegt auch jener Hauch von Melancholie, der Schostakowitschs späten Werken eigen ist. Das Radio Filharmonisch Orkest Holland kann es, was Klang, Präsenz, Virtuosität und Suggestivität angeht, durchaus mit seinen großen Konkurrenten aufnehmen. Jan-Hendrik Rootering singt größtenteils sehr eindringlich, enthüllt aber nicht immer alle Facetten, Töne und Zwischentöne seines Parts. Er meidet zu Recht die (falsche, weil unangebrachte) Emphase. Doch wo ist die Beklommenheit des Ängste-Satzes (Nr. 4), wo der verzweifelte Sarkasmus, der in Humor (2. Satz) steckt? Der von Simon Halsey glänzend einstudierte Niederländische Rundfunkchor spielt seine Rolle durchweg bestens.

Als störend empfinde ich, dass der Pegel dieser SACD beim Abhören über eine gewöhnliche 2-Kanal-Anlage sehr, das heißt zu niedrig ist und man zu sehr aufdrehen muss.

Peter Heissler [19.09.2006]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Dimitri Schostakowitsch
1Sinfonie Nr. 13 b-Moll op. 113 für Orchester (Babi Yar)

Interpreten der Einspielung

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