Hungaroton HCD 32320
1 CD • 68min • 2004
24.01.2005
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
An der Herstellung der Oper La virtù trionfante dell‘amore e dell‘odio overo Il Tigrane (Rom 1724) waren drei Komponisten beteiligt: von Benedetto Micheli stammt der erste, von Antonio Vivaldi der zweite und von Nicola Romaldi der dritte Akt. Der erste und dritte Akt gingen verloren, einzig Vivaldis Komposition ist erhalten geblieben. Mit dem mehr als einstündigen Stück macht uns nun das ungarische Label Hungaroton bekannt. Da Vivaldi beim weltweiten Musikpublikum die Rolle eines Favoriten einnimmt und diese Position schon seit mehr als vierzig Jahren mit ungebrochen beibehält, wird auch die Erstveröffentlichung dieses Fragments mit Sicherheit auf großes Interesse stoßen. Zum Glück werden die Erwartungen reichlich erfüllt. Es ist – zumindest in weiten Teilen – bester Vivaldi, was man da zu hören bekommt. Namentlich die Arien der Cleopatra, die Mónika Gonzales mit wunderschöner, warmer Stimme und betörendem Ausdruck vorträgt, besitzen jene edle, erhabene Aura, die man an dem verschwenderisch produktiven Venezianer schätzt. Freilich bleibt in manchen Abschnitten auch das Schematische der musikalischen Arbeit erkennbar, die gehaltvollen Momente sind jedoch entschieden in der Überzahl. Wie üblich bei Opernwerken dieser Epoche handelt es sich auch hier um ein Aufreihung von Dacapo-Arien, dazwischen gibt es lang ausgesponnene Rezitative. Die einzige Abweichung von diesem Muster bedeutet ein Duett Cleopatra-Tigrane, übrigens eine der subtilsten Nummern des Werks.
Das Libretto von Vivaldis Priester-Kollegen Francesco Silvani greift ein Sujet auf, das aus Plutarchs Lebensbeschreibungen stammt und die Liebe des armenischen Königs Tigranes zu Cleopatra, der Tochter des pontinischen Königs Mithridate, zum Inhalt hat. Daß das meiste daran unhistorisch ist und auf freier Erfindung beruht, braucht wohl nicht näher betont zu werden. Bei der Uraufführung 1724 wurden sämtliche Vokalpartien von Kastraten gesungen, in der Tonaufnahme ist bloß die umfangreiche Titelpartie und die Rolle des nur mit einer einzigen Arie beteiligten Clearte mit Counter-Tenören besetzt. Artur Stefanowicz und Barnabás Hegy erfüllen diese Dienste mit imponierender stilistischer Kompetenz. Auch die übrigen Gesangssolisten halten gutes Niveau, auf die überragende Sängerin der Cleopatra wurde bereits aufmerksam gemacht. Der Dirigent Pál Németh, der auch die wissenschaftliche Revision der Partitur vorgenommen hat, vollbringt mit dem präzise agierenden Savaria-Barockorchester eine fulminante Wiedergabe, deren Impetus in jedem Moment spürbar bleibt.
Das Begleitheft enthält einen infomationsreichen Kommentar in deutscher Sprache, das Libretto wird italienisch-ungarisch-englisch wiedergegeben.
Clemens Höslinger [24.01.2005]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Antonio Vivaldi | ||
1 | Il Tigrane (Opernfragment) |
Interpreten der Einspielung
- Artur Stefanowicz (Tigrane - Countertenor)
- Timothy Bench (Mitridate - Tenor)
- Mónika González (Cleopatra - Sopran)
- Zsolt Molnár (Oronte - Bariton)
- Ildikó Szakács (Apamia - Sopran)
- Barnabás Hegyi (Clearte - Countertenor)
- László Jekl (Arbante - Baß)
- Savaria Baroque Orchestra (Orchester)
- Pál Németh (Dirigent)