Warner Classics 2564 61549-2
1 CD • 63min • 2003
27.09.2004
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Sergej Eisenstein, der große sojwetische Stummfilmregisseur, hatte ursprünglich keine Beziehung zur Musik und bekannte einmal, daß er sich keine Melodien merken könne. Doch durch seinen Freund Serge Prokofieff wurde ihm gleichsam die Tür aufgestoßen. In seinem Spätwerk strebte er das filmische Gesamtkunstwerk an und bezeichnete den Komponisten ausdrücklich als den neben dem Kameramann Edward Tisse „„dritten Gefährten im Tonfilm unserer Träumeì.
Wenn wir heute geneigt sind, den pathetisch-propagandistischen Alexander Newski als eine Entgleisung der beiden Künstler anzusehen, so müssen wir in Rechnung stellen, daß dieses Zugeständnis an die Regierung ein Mittel war, um den stalinistischen Terror zu überleben. Bei dem ebenfalls vom Diktator in Auftrag gegebenen, ursprünglich als Trilogie geplanten Ivan Grosny wollten die Autoren dagegen historisch wie psychologisch wesentlich differenzierter vorgehen. Doch während der erste Teil mit Preisen überhäuft wurde, kam der zweite nicht durch die Zensur, weil die Parallelen zum Stalinschen Polizeistaat zu offensichtlich waren. Eisenstein starb, bevor er den dritten Teil angehen konnte und Prokofjew beschloß daraufhin, seine Arbeit für den Film definitiv zu beenden.
Während er die Filmmusik zu Alexander Newski selbst in eine Konzertkantate umgewandelt hatte, schien ihm das beim Ivan nicht sinnvoll, obwohl die Musik hier deutlich vielgestaltiger ist. Abram Stassewitsch, der die Originalaufnahmen der Filmmusik dirigiert hatte, sprang für ihn ein und schuf 1962 ein Arrangement, das sich auch außerhalb der Sowjetunion im Konzertsaal behauptet hat.
An Prokofieffs progressive Anfänge erinnert in dieser Partitur nur wenig, ab und an blitzen Reminiszenzen an Die Liebe zu den drei Orangen auf. Vieles bleibt auch in der Konzertversion reine Kinomusik, illustrativ und ein wenig pathetisch.
In der vorliegenden Live-Aufführung von den letztjährigen BBC Proms trägt der Erzähler (souverän und diskret: Simon Russell Beale) seine Texte in englischer Sprache vor, während die Sänger die russische Originalsprache benutzen. Der vokale Löwenanteil liegt beim Chor, der hier mit den BBC-Kollektiven nahezu optimal besetzt ist. Weniger überzeugend sind die Solisten. Irina Tschistiakowas wabernder Mezzo bereitet wenig Hörfreude und der kultivierte Baßbariton James Rutherford ist nicht der richtige Stimmtyp für das derbe Tanzlied des Fjodor Basmanov. Der Dirigent Leonard Slatkin findet die bei diesem Werk angemessene Balance zwischen elegischer Stimmungsmalerei, vitaler Rhythmik und gelegentlich massierter Klangpracht.
Ekkehard Pluta [27.09.2004]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Sergej Prokofjew | ||
1 | Iwan der Schreckliche op. 116 (Konzertoratorium) |
Interpreten der Einspielung
- Irina Tchistyakova (Mezzosopran)
- James Rutherford (Bassbariton)
- Simon Russell Beale (Erzähler)
- BBC Symphony Chorus (Chor)
- BBC National Chorus of Wales (Chor)
- BBC Symphony Orchestra (Orchester)
- Leonard Slatkin (Dirigent)