DG 471 576-2
1 CD • 71min • 2002
03.04.2003
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Wer erinnert sich nicht, an Mikhail Pletnevs erste Aufnahmen, nachdem er 1978 in überlegenster Manier den Moskauer „Tschaikowsky-Wettbewerb“ gewonnen hatte? Schlanke, klar, ja hart konturierte Bach- und Prokofieff-Interpretationen waren es, die diesem auch auf dem Konzertpodium kühl, fast rechnerisch wirkenden Musiker das Image eines Strategen unerschütterlicher, zielgerichteter, schmuckloser Brillanz verliehen. Hier nun im Zusammenwirken mit dem Dirigenten Mstislav Rostropovich begegnen wir einem (längst?) gewandelten Pletnev. Die angesprochene Klarheit und wasserklare Durchsichtigkeit ist einer klanglich weicheren, freundlicher konturierenden Spielweise gewichen, die eine Fülle von neuen, gelegentlich abenteuerlich anmutenden Akzentuierungen zulässt, ja mehr noch: sie scheint sie geradezu herauszufordern. Rachmaninoffs d-Moll-Konzert ist wohl noch nie so träumerisch, so gestreichelt formuliert worden wie hier in dieser monumental-elegischen Deutung zweier großer Künstler, die sich dieser Partitur ganz offensichtlich so vorurteilsfrei genähert haben, als würde es tatsächlich keine einprägsamen Vorbilder geben (Rachmaninoff persönlich, Horowitz, Weissenberg, Janis, der junge Van Cliburn, der junge Gawrilow etwa!). Es ist von Takt zu Takt, von Thema zu Thema ein eigenwilliges Forschen und Schürfen bis in die feinsten Mitteilungen gleichsam zwischen den musikalischen Zeilen.
Die großen akkordischen Entladungen in der Durchführung und in der Kadenz des ersten Satzes werden von Pletnev bar aller vorwitzigen Muskulösität „entwickelt“, erst spät oder im unerwarteten Moment zur Explosion gebracht. Und in der Walzerszene gegen Ende des zweiten Satzes kokettiert Pletnev überhaupt nicht mit leise prasselnden Repetitionen, vielmehr spürt er möglichen, ja fast schon unmöglichen Motivsplittern nach, um dieser Passage auch noch den letzten Rest an Etüden-Schematik zu nehmen.
Ein ähnliche Bild bietet das C-Dur-Konzert von Prokofieff. Pletnev und Rostropovich mit dem russischen Nationalorchester geben es als große lyrische „Ballade ohne Worte“, in deren Verlauf die großen Kracher eher als Nebensache eingeblendet werden, während die Wunder musikalischer Schatten- und Mimikspiele im Leisen und Forschen, im Hellen wie im Dunklen bald versprochen, bald vollbracht werden. Kein größerer Kontrast lässt sich in diesem Fall gestalterischer Unabhängigkeit denken als zwischen dieser Aufnahme und den kantig-brachialen, ungemein sportlichen einer Martha Argerich (DG, EMI) oder eines Alexis Weissenberg (EMI).
Peter Cossé † [03.04.2003]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Sergej Rachmaninow | ||
1 | Konzert Nr. 3 d-Moll op. 30 für Klavier und Orchester | |
Sergej Prokofjew | ||
2 | Klavierkonzert Nr. 3 C-Dur op. 26 für |
Interpreten der Einspielung
- Mikhail Pletnev (Klavier)
- Russian National Orchestra (Orchester)
- Mstislaw Rostropowitsch (Dirigent)