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Besprechung CD

Naxos 8.554811

1 CD • 79min • 2000

31.07.2002

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 7
Klangqualität:
Klangqualität: 8
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 7

Anders als im Fall etwa des Finales zu Bruckners Neunter erschien bis heute keine wissenschaftliche Grundlage in Form einer Transkription und Erläuterung des Quellenmaterials zu Mahlers Zehnter im Druck. Kein Wunder also, daß jeder nach seiner eigenen Façon spielt und eine in allen Teilen überzeugende Realisation bis heute nicht erschienen ist. Die Version von Joe Wheeler (1966) wird zwar unter Kennern als Geheimtip gehandelt; bislang war sie aber nicht auf CD erhältlich. Allerdings ist auch sie nicht wirklich schlüssig und hinterläßt bei mir eher zwiespältige Gefühle: Die ersten drei Sätze wirken in dieser Version überzeugender als die letzten beiden. Besonders einfühlsam sind die Ergänzungen im ersten Adagio, wirkungsvoll auch Scherzo I und Purgatorio. Leider halten Wheelers Vervollständigungen von Scherzo II und Finale den ersten drei Sätzen kaum stand; die Instrumentierung ist über weite Strecken noch leerer als bei Cooke. Wheeler war ebenso wie alle anderen Bearbeiter nur sehr begrenzt fähig, eine dezidiert auf psychologische Wirkung abgestimmte Instrumentation wie Mahler zu schaffen; auch sind die Streicher wieder einmal nicht mit den Mahler-typisch ausführlichen, differenzierten Spielanweisungen versehen worden. Erhebliches Ausdrucks-Potential der Musik wird so verschenkt. Von Teufelstanz und Wahnsinn, wie Mahler im Manuskript schrieb, kann in Wheelers blasser Instrumentierung des Scherzo II kaum die Rede sein. Mißlungen ist der Übergang ins Finale, den Wheeler im Gegensatz zu Cooke nicht als langsame Einleitung interpretiert: "Meiner Meinung nach versucht das Scherzo II einen neuen Anlauf, und erst das Adagio-Thema (NB: der Flöte) soll sozusagen die Versuche des Teufels überwinden, weiterzutanzen", schrieb Wheeler. Tempo und Farben überzeugen aber nicht – zumal der ans Ende von Scherzo II gehörende Trommelschlag in Tr. 5 (Finale) hineingenommen wurde.

Dirigent und Herausgeber Robert Olson beschreibt im erfreulich umfangreichen Booklet die Mühen der Vorbereitung; das suggeriert höchste Akribie. Andererseits fehlen dem Booklet sämtliche Tempo-Angaben der Partitur. Was Wheeler korrekt eine "performing edition" nannte, wird hier im Titel unstatthaft zur "Rekonstruktion" (der Begriff impliziert, etwas Vollständiges sei schon dagewesen). Es wäre auch schön gewesen zu erfahren, wo die Olson-Edition zu beziehen ist (über AMP waren bislang nur Kopien von Wheelers Manuskript zu bekommen). Überdies ist bedauerlich, daß Olson – der dem Booklet und dem hörbaren Ergebnis nach ein erfahrener und kompetenter Mahler-Dirigent ist – darauf verzichtet, die von Mahler gewünschte links-rechts-Aufteilung der ersten und zweiten Geigen zu verwenden. Dadurch werden viele räumliche Effekte nicht hörbar.

Abgesehen von dem überdehnt genommenen, zur Rührseligkeit neigenden ersten Adagio – die Eingangsvorschrift 'Andante' wird komplett ignoriert – wird mit Liebe und Sorgfalt musiziert. Wheelers Version ist mehr als jene von Mazzetti und Carpenter eine hörenswerte Alternative zu Cooke, die Premiere bei Naxos mithin ein Dokument historischer Bedeutung. Ob sie im Konzertsaal ankommt, bleibt abzuwarten.

Dr. Benjamin G. Cohrs [31.07.2002]

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